Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
mir meine Laune verdärben (von darben). Ich schlafe mit meinem Held in einer Koje, das heisst (konsequent ss nach kurzem Vokal), ich schlafe nicht, ich lausche seinem Atem und höre das Blut in meinen Ohren rauschen. Und ich frage mich, ob ich es wagen soll, ihn zu berühren.
Da kommt Ursel und mäckert mich an. Sie sagt, es sei Zeit für das Lern-Quiz, und ich solle den Tisch freimachen. Ursel legt sehr viel Wert darauf, bei diesem sogenannten Spiel viele Punkte abzusahnen. Gestern Abend heulte sie beinahe, weil sie eine Antwort verwechselt hatte. Was tun bei Ruderschaden?, hatte die Frage gelautet, und Ursel hatte gesagt, man müsse das Leck sofort lokalisieren und versuchen, es mit Kissen und Tüchern abzudichten. Als wir sie auslachten, war sie tödlich beleidigt. Überdies verlangte sie trotz allem einen Punkt für die Antwort, weil sie die Fragenummer gewusst hatte. Aber Dirk, Bernie und ich blieben hart, Ursel bekam null Punkte, und damit basta.
14
»Herzilein, du sollst nicht traurig sein«, sang jemand direkt in mein Ohr. In meinem Traum steckten zwei übergewichtige Kerle mit Seppelhüten in der Kabinentür fest, denen der Schweiß auf der Stirn stand. Von Entsetzen geschüttelt, setzte ich mich auf.
»Wo ist Marius Müller-Westernhagen geblieben?«, fragte Rebecca neben mir, die ebenfalls rüde aus dem Schlaf geschreckt war.
»Ich fürchte, der ist der Zensur zum Opfer gefallen«, antwortete ich. »Fred scheint mehr auf aufmunternde Heimatweisen zu stehen.«
» Das ist Musik«, erklärte Fred, als ich in den Salon stolperte, um dem Grauen ein Ende zu bereiten.
»Herzilein, du sollst …« Krrrrk, es herrschte Stille. Ich hatte den Aus-Knopf gefunden.
»Wie spät ist es?«, fragte Jack aus seiner Koje.
Ich sah auf die Weltuhr. »In Teheran zehn Uhr und drei Minuten.«
»Na, dann wird’s ja höchste Zeit«, sagte Jack.
»Guten Morgen«, rief es aus Rosis Kabine. Ich spähte neugierig durch die halbgeöffnete Tür, um einen Blick auf Rosi ohne ihre Kriegsbemalung zu erhaschen. Aber Bille musste mit ihrer Vermutung richtig liegen: Der türkisfarbene Lidschattenbalken schien tatsächlich Permanent-Make-up zu sein. Anders war es nicht zu erklären, dass er mir schon um diese Zeit entgegenleuchtete, obwohl Rosi noch im Schlafanzug war.
Die Wetterstation gab eine rhythmische Tonfolge von sich.
»Die Sonne scheint«, verkündete Fred. »Es wird warm heute, und es weht ein frischer Wind der Stärke vier bis fünf auf der Beaufortskala.«
Nach einem Blick aus dem Fenster musste ich ihm recht geben.
Das Wetter war wirklich erste Sahne. Phantastisches Segelwetter. Ich kletterte an Deck und tat einen tiefen Atemzug. Auf unserem Bruderschiff nebenan war man bereits in die Schwimmwesten gehüllt.
»Orange steht dir«, sagte ich zu Bille.
»Ich weiß, danke«, antwortete sie gelassen. Sie hatte jenes Dauerlächeln im Gesicht, das nur bei Frischverliebten keine Muskelkrämpfe verursacht.
»Na, wie ist es denn so, neben Hannes zu schlafen?«
»Hach«, sagte Bille. »An Schlaf ist da nicht zu denken.«
»Verstehe«, sagte ich neidisch. Gemeinsam in eine Koje gepfercht – da taten sich ja ungeahnte Möglichkeiten auf. Dass ausgerechnet Bille so viel Glück hatte! Ich hingegen teilte das Bett mit meiner Schwester, die wiederum am liebsten neben Dirk gelegen hätte. Immerhin schlief Stefan jetzt Wand an Wand mit mir. Der Motor und zwei dünne Resopalplatten trennten uns nur optisch. Akustisch betrachtet, war es, als schliefen wir nebeneinander. Ich hatte in der Nacht sogar Jack gehört, wie er gesagt hatte: »Mensch, Stefan, drängel doch nicht so!«
Ach, wie ich Jack beneidete.
»Auf Ibiza machen wir das aber anders«, sagte Rosi.
»Wir sind aber hier nicht auf Ibiza«, erwiderte Stefan. »Und wenn du die Prüfung bestehen willst, musst du es so machen, wie ich es dir sage. Also, versuch einfach mal den Kurs zu halten. Genau auf den Leuchtturm zu.«
»Das Boot dreht sich aber immer weg«, sagte Rosi. »Da ist was kaputt.«
»Nein, Rosi, da ist nichts kaputt«, mischte sich Fred ein. »Du machst nur alles falsch. Wie immer.«
Seit einer halben Stunde stand Rosi nun hinterm Steuer, und sie konnte tatsächlich kaum den Kurs halten, von irgendwelchen Manövern ganz zu schweigen.
»Aber ihr habt doch ein eigenes Boot«, wandte sich Rebecca an Fred.
»Ja«, sagte Fred. »Und das hält Rosi auch schön sauber. Aber segeln kann sie deshalb noch lange nicht.«
»Das ist doch albern«, widersprach Rosi.
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