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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gehofft, dich davon abzubringen, es zu versuchen.«
    »Du verlangst von mir aufzugeben? Kurz vor dem Ziel?«
    »Allerdings.«
    »Aber warum?«
    »Weil«, fing er an und verfiel dann in Resignation. »Ich weiß es nicht. Zu viele Fäden laufen zusammen. Selbst wenn ich einen Faden herauszupfe, so wird sich am Knoten nichts lösen.«
    Von einem Moment auf den anderen fühlte ich mich erschöpft, ausgebrannt, und die Hochstimmung meines vermeintlichen Sieges war verflogen. Der Narr und seine Schwarzseherei ärgerten mich. »Wenn du nur in Rätseln sprechen kannst, weshalb bist du dann nicht lieber still?«
    Er schwieg darüber, als hätte ich ihn geschlagen. »Das ist noch eine Frage, auf die ich keine Antwort weiß«, meinte er schließlich und stand auf.
    »Narr«, setzte ich an, um ihn zurückzuhalten.
    »Ja. Ein solcher bin ich«, nickte er und ging.
    Und so verfolgte ich weiter unbeirrt mein Ziel und wurde von Tag zu Tag stärker. Der langsame Fortgang unserer Unterweisung verdross mich. Immer wiederholten wir die gleichen Übungen, und allmählich meisterten auch die anderen die Gabe, die
mir wie selbstverständlich zuflog. Wie konnten sie derart blind und taub gewesen sein?, fragte ich mich. Wie konnte es ihnen so schwerfallen, sich der Gabe zu öffnen? Meine Schwierigkeit bestand im Gegenteil darin, nicht zu viel preiszugeben und verborgen zu halten, was Galen nicht wissen sollte. Oft, wenn er mich mit der Gabe streifte, merkte ich, wie er behutsam einen Fühler in mein Bewusstsein streckte, aber es gelang mir stets ihm auszuweichen.
    »Ihr seid bereit«, verkündete er endlich an einem frostklaren Tag. Obwohl erst Nachmittag war, wurde es bereits dunkel, und es zeigten sich die ersten Sterne am dunkelblauen Himmel. Es waren keine Wolken zu sehen, die uns gestern noch zwar mit Schnee berieselt, aber wenigstens auch vor dieser klirrenden Kälte geschützt hatten. Ich bewegte die Zehen in den Lederschuhen, die Galen uns zu tragen erlaubte. »Bis jetzt habe ich euch mit der Gabe berührt, damit ihr euch daran gewöhnt. Jetzt und heute werden wir eine wirkliche Verbindung anstreben. Ihr kommt mir entgegen, wie ich euch entgegenkomme. Doch nehmt euch in Acht! Die meisten haben bisher der Verlockung, die mit der Erfahrung der Gabe einhergeht, widerstehen können. Aber was ihr da gespürt habt, war nur ein bloßer Hauch der Macht. Diesmal wird die Gefahr größer sein. Bleibt standhaft, aber verschließt euch nicht.«
    Wieder begann er seinen langsamen Rundgang von einem zum anderen. Ich wartete aufgeregt, doch ohne Angst. Diesem einen Moment hatte ich lange entgegengesehen. Ich war bereit.
    Einige versagten offenbar und wurden der Faulheit oder Ungeschicklichkeit gescholten. August erhielt ein Lob. Serene schlug er mit der flachen Hand ins Gesicht, weil sie ihm zu hastig entgegenkam. Dann trat er vor mich hin.

    Ich wappnete mich wie für einen Ringkampf. Auf seine Berührung kam ich ihm vorsichtig mit meinen Gedanken entgegen. Ist es so richtig?
    Ja, Bastard. So ist es richtig.
    Einen Augenblick lang befanden wir uns im Gleichgewicht, in der Schwebe, wie zwei Kinder auf einer Wippe. Ich spürte, wie er unsere Verbindung festigte. Um dann ohne jegliche Vorwarnung zu attackieren. Es fühlte sich genauso an, als hätte mir jemand einen Tiefschlag versetzt, aber eher in einem geistigen als in körperlichem Sinne. Ich musste so nicht etwa um meinen Atem ringen, sondern konnte meine Gedanken nicht mehr beherrschen. Er wühlte in meinem Bewusstsein, plünderte meine Erinnerungen, und ich vermochte ihn nicht daran zu hindern. Damit hatte Galen gesiegt. Und er wusste es. Doch in diesem Augenblick seines sorglosen Triumphs gab er sich eine Blöße. Ich griff sofort nach ihm, bemächtigte mich seines Bewusstseins wie er sich zuvor des meinen, packte ihn und hielt ihn fest und wusste einen schwindelerregenden Augenblick lang, dass ich stärker war als er, sogar stark genug, um in seinem Kopf nach Belieben schalten und walten zu können. »Nein!«, kreischte er, und eine Ahnung sagte mir, dass er bereits früher einmal auf die gleiche Art mit jemandem gerungen hatte. Mit jemandem, dem er ebenfalls unterlegen war, so wie ich der Überlegene zu bleiben beabsichtigte. »Doch!«, beharrte ich.
    »Stirb!«, befahl er, aber ich wusste, er war machtlos, mir unterlegen, und ich bündelte meinen Willen und verstärkte meinen Griff.
    Die Gabe ist unparteiisch. Sie begünstigt keinen, und jede Unaufmerksamkeit wird bestraft. Siegesgewiss

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