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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Auch darin hatte ich Recht. Gut, gut … Dies ist doch keine Zeitverschwendung gewesen, wenn wir dich damit los sind.«
    Ich weiß nicht, wann er ging und mich meinem Elend überließ. Nach einiger Zeit wurde mir bewusst, dass es der Mond und nicht Galen war, der auf mich herabschaute. Ich drehte mich auf den Bauch. Stehen konnte ich nicht mehr, aber kriechen. Zielstrebig schleppte ich mich zu der Stelle hin, wo die Brüstung niedriger war. Ich hatte vor, zuerst auf eine Bank und danach auf die Mauer zu klettern. Und von dort - hinunter. Allem ein Ende machen.
    Es war eine lange Reise in der Kälte und in der Dunkelheit. Von irgendwoher hörte ich ein Winseln, und selbst dafür verachtete ich mich. Als ich weiterkroch, wurde das Winseln deutlicher und lauter, erklang wie ein Protest gegen das Schicksal, das ich für mich ausersehen hatte. Es war eine unbeirrbare Stimme, die mir verbot aufzugeben, die mein Versagen leugnete. Sie
war gleichzeitig Wärme und Licht und gewann an Intensität, während ich herauszufinden versuchte, woher sie stammte.
    Ich lag still da.
    Ich lauschte.
    Die Stimme war in mir. Je fieberhafter ich nach ihrem Ursprung suchte, desto stärker wurde sie. Liebte mich. Liebte mich, auch wenn ich mich selbst nicht lieben konnte, wollte. Liebte mich, obwohl ich sie hasste. Sie grub ihre winzigen Zähne in meine Seele und hielt mich fest. Und als ich weiterkriechen wollte, steigerte sie sich zu einem klagenden Geheul, das mich beschwor, den heiligen Bund der Freundschaft nicht zu brechen.
    Es war Fäustel.
    Er litt mit meinen geistigen und körperlichen Schmerzen. Und als ich aufhörte, mich gegen sein Zerren zu sträuben, war er vor Freude ganz außer sich. Doch das Einzige, was ich tun konnte, um ihn zu belohnen, war, stillzuliegen und nicht länger darauf zu beharren, meinem Leben ein Ende zu setzen. Und er versicherte mir, es wäre genug, eine Fülle Seligkeit. Ich schloss die Augen.
    Der Mond stand hoch am Himmel, als Burrich mich behutsam auf den Rücken drehte. Der Narr hielt eine Fackel hoch, und Fäustel hüpfte um ihn herum. Burrich hob mich auf, als wäre ich immer noch das Kind, der Junge, den man in seine Obhut gegeben hatte. Ich erhaschte einen Blick auf sein dunkles Gesicht, aber es war ausdruckslos. Hinter dem Narren, der mit der Fackel voranleuchtete, trug er mich die lange Wendeltreppe hinunter, zurück zu den Ställen und hinauf in seine Kammer. Dann ließ der Narr Burrich, Fäustel und mich allein, und ich kann mich nicht erinnern, dass bis dahin ein Wort gesprochen
worden wäre. Burrich legte mich auf sein eigenes Bett und schob es anschließend in die Nähe der Feuerstelle. Mit der Wärme kamen die Schmerzen zurück; ich überließ meinen Körper Burrich, Fäustel meine Seele und entsagte für geraume Zeit der bewussten Welt.
    Als ich die Augen aufschlug, war es Nacht. Dieselbe noch oder eine andere? Burrich saß hellwach und aufrecht neben mir auf einem Stuhl. Verbände schnürten meine Brust ein. Ich hob die Hand, um nach ihr zu tasten, und bemerkte erstaunt zwei geschiente Finger. »Sie waren geschwollen, und das nicht allein von der Kälte«, sagte Burrich. »Ich konnte nicht feststellen, ob sie gebrochen waren oder lediglich verrenkt, deshalb habe ich sie zur Sicherheit geschient. Wahrscheinlich ist es aber eine Verrenkung. Bei gebrochenen Fingern hätten die Schmerzen bei meiner Behandlung sogar dich aufgeweckt.«
    Er sprach mit einem sachlichen Gleichmut, als ginge es darum, einen neuen Hund vorbeugend gegen Würmer zu behandeln. Und genauso wie seine besonnene Stimme und Ausstrahlung ein ängstliches Tier zu beruhigen vermochten, so wirkten sie auch beruhigend auf mich. Ich entspannte mich, weil ich dachte, wenn er die Sache keiner Aufregung für wert hält, kann es nur halb so schlimm sein. Er schob einen Finger unter den Brustverband, um nachzuprüfen, ob er fest genug war. »Was ist geschehen?« Während er die Frage stellte, drehte er sich zur Seite und griff nach einem Becher mit Tee, als wäre er an meiner Antwort nicht sonderlich interessiert.
    Ich bemühte mich, an den Zeitraum der letzten Wochen zurückzudenken und suchte nach Erklärungsmöglichkeiten . Verschiedene Ereignisse irrlichterten durch meinen Kopf und entzogen sich doch meiner Erinnerung. Nur die dumpfe Schande
meiner Niederlage blieb gegenwärtig. »Galen hat mich auf die Probe gestellt«, sagte ich schwerfällig. »Ich habe versagt. Dafür wurde ich bestraft.« Die Worte brachten alles wieder an die

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