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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wieder und wieder durch den Kopf ging.
    »Nichts«, keuchte ich und stieß mit dem Stab zu, um mir den einen Angreifer vom Leib zu halten. »Ich habe gar nichts für euch. Kein Geld, nichts zu essen, gar nichts. Alles verloren, weiter hinten auf der Straße.«
    »Nichts«, wiederholte der dritte, und jetzt erst erkannte ich, dass sie früher offenbar einmal eine Frau gewesen war. Früher. Denn jetzt war sie diese seelenlose, bösartige Marionette, in deren Augen plötzlich ein tückisches Funkeln erschien, als sie sagte: »Umhang. Ich will den Umhang.«
    Der Stolz, diesen Gedanken formuliert zu haben, machte sie unvorsichtig, und ich schlug ihr mit dem Stock gegen das Schienbein. Sie warf einen verständnislosen Blick auf die blutende Platzwunde, dann kam sie humpelnd weiter auf mich zu.
    »Umhang«, sagte ihr Kumpan monoton. Beide starrten sich feindselig an, wie Rivalen im Streit um die Beute. »Mir. Mein«, fügte er hinzu.
    »Nein. Töte dich«, entgegnete sie leidenschaftslos. »Töte dich auch«, wiederholte sie, indem sie sich mir wieder zuwandte und
sich einen weiteren Schritt näherte. Ich schwang den Stock nach ihr, aber sie sprang zurück und versuchte sogar, ihn zu packen. Dann konnte ich mich gerade noch rechtzeitig umdrehen, um mit meinem nächsten Schlag den Angreifer abzuwehren, dessen Handgelenk ich bereits zerschlagen hatte. Als er taumelte, war ich mit einem Satz an ihm vorbei und floh. Den Stock in der einen Hand, zerrte ich mit der anderen beim Laufen an der Schließe meines Umhangs. Endlich ging sie auf, und ich ließ ihn einfach von den Schultern fallen. Das weiche Gefühl in den Beinen warnte mich, dass dies meine letzte Chance war, aber die Rechnung schien aufzugehen, denn ein paar Augenblicke später hörte ich zorniges Schreien und Kreischen, als meine Verfolger über die Beute in Streit gerieten. Ich betete, dass dies reichte, um sie alle vier zu beschäftigen. Nach einer Biegung entschwand ich aus ihrem Blickfeld, trotzdem rannte ich schließlich noch ein gutes Stück weiter, bevor ich einen Blick zurück wagte. Die Straße hinter mir erschien nun breit und leer. Völlig erschöpft setzte ich mich wieder in Bewegung, und an einer geeigneten Stelle schlug ich mich in die Büsche.
    Nach einiger Zeit entdeckte ich einen ausgedehnten Verhau aus Dornengestrüpp und zwängte mich mitten hinein. Zitternd und mit meinen Kräften am Ende kauerte ich mich nieder und lauschte angespannt auf die Geräusche von Verfolgern. Ich nutzte die Zwangspause, um ein paar Schlucke zu trinken und mich zur Ruhe zu zwingen. Die Zeit brannte mir auf den Nägeln, ich musste zurück nach Bocksburg, aber ich wagte mich nicht hervor, noch nicht.
    Mir kommt es immer noch unglaublich vor, dass ich in meinem unwirtlichen Versteck einschlief, aber ich tat es.
    Ich erwachte wie aus einer tiefen Betäubung und fühlte mich,
als hätte ich gerade eine schwere Verwundung oder lange Krankheit überstanden. Meine Augen waren verklebt, meine Zunge pelzig, und im Mund hatte ich einen säuerlichen Geschmack. Mühsam hob ich meine bleischweren Augenlider und schaute mich verwirrt um. Das Tageslicht war bereits verblasst, und der Mond war hinter einer dünnen Wolkendecke verborgen.
    Die Erschöpfung hatte mich so vollkommen übermannt, dass ich gegen den Dornenwall gesunken und wie auf ein Nadelkissen gebettet eingeschlafen war. Mich zu befreien kostete Geduld und Mühe, ganz zu schweigen von dem, was ich an Stoff und Haut und Haaren zurückzulassen hatte. Argwöhnisch wie ein gejagtes Wild verließ ich meinen Zufluchtsort. Dabei setzte ich nicht nur meine besondere Wahrnehmung ein, sondern prüfte auch die Luft und spähte nach allen Seiten. Ich wusste, ich konnte die Entfremdeten nicht spüren, hoffte aber, falls sich welche von ihnen in der Nähe befanden, dass das aufgescheuchte Wild sie mir verriet. Doch alles war still.
    Vorsichtig trat ich zurück auf die Straße. Sie lag in der hereinbrechenden Dunkelheit wie verlassen da. Nach einem Blick zum Himmel machte ich mich auf den Weg, möglichst im Schatten der Bäume am Straßenrand und bemüht, schnell und leise vorwärtszukommen, aber beides gelang mir längst nicht so, wie ich es wollte. Ich hatte längst aufgehört, an etwas anderes zu denken als daran, wachsam zu sein und möglichst schnell an mein Ziel zu kommen - Bocksburg. Fäustels Leben war nur noch ein schwaches Flämmchen in meinem Bewusstsein. Das einzige andere Gefühl, das sich noch in mir regte, war die andauernde

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