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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und Ohren die Dunkelheit zu durchdringen und jedes Geräusch zu erlauschen.
Eben noch war die Straße vor mir schwarz und leer, im nächsten Moment schälten sich Gestalten aus der Finsternis. Zwei Männer vor mir und noch einer hinter mir. Das Rauschen der Wellen hatte ihre Schritte übertönt, und der Mond hinter den jagenden Wolken gewährte mir nur ab und zu einen Blick auf die Angreifer, die sich langsam näherten. Ich suchte Rückendeckung an der Wand eines Lagerhauses, nahm den Stab in beide Hände und wartete ab.
    Merkwürdig, dass sie kein Geschrei erhoben, dass nicht die ganze Mannschaft sich versammelte, um dem Spektakel beizuwohnen. Diese Männer belauerten sich aber einander ebenso sehr, wie sie mich belauerten. Sie jagten nicht als Rudel, jeder hoffte vielmehr, die anderen würden bei dem Versuch, mich zu töten, ins Gras beißen und ihn der Notwendigkeit zu teilen befreien. Es waren Entfremdete, keine Piraten.
    Eine furchtbare Kälte erfüllte mich. Der Lärm eines Handgemenges würde die Piraten auf den Plan rufen, davon war ich überzeugt. Falls es den Entfremdeten nicht glückte, mich umzubringen, besorgten es die Roten Korsaren. Doch wenn alle Wege in den Tod führen, hat es keinen Sinn, sich dabei auch noch zu beeilen, also beschloss ich, die Dinge auf mich zukommen zu lassen. Sie waren zu dritt. Einer hatte ein Messer. Aber ich hatte meinen Stab und verstand damit umzugehen. Sie waren dünn, ausgemergelt und bestimmt nicht weniger hungrig als ich. Sie froren auch wie ich. In einer der Gestalten glaubte ich die Frau vom Abend vorher wiederzuerkennen. Nach ihrem Verhalten zu urteilen, wussten sie von der Anwesenheit der Piraten und fürchteten sie genauso wie ich. Müßig, darüber nachzudenken, wie verzweifelt sie sein mussten, mich dennoch anzugreifen. Im nächsten Atemzug fragte ich mich, ob Entfremdete überhaupt
fähig waren, Verzweiflung oder ähnliche Gefühle zu empfinden. Womöglich waren sie zu abgestumpft, um die Gefahr zu erkennen.
    Sämtliches fragwürdige Geheimwissen, das Chade mir eingetrichtert hatte, Hods brutale und elegante Strategien für den Kampf gegen zwei oder mehr Gegner - sie waren wie vom Winde verweht. Denn als die ersten beiden in meine Reichweite kamen, fühlte ich den kleinen Funken Wärme Fäustels in meinem Bewusstsein verblassen. »Fäustel!«, flüsterte ich, eine beschwörende Bitte, mich nicht zu verlassen. Fast glaubte ich, eine Schwanzspitze zucken zu sehen, der letzte Versuch zu einem kraftlosen Wedeln. Dann zerriss der Faden, der Funke erlosch. Ich war allein.
    Eine aberwitzige Kraft durchströmte mich wie eine schwarze Flut. Ich tat einen Schritt nach vorn, rammte das Ende des Stocks in das Gesicht eines Mannes, federte zurück und zerschmetterte mit einem wuchtigen Rundschlag den Kiefer der Frau. Als sie stürzte, machte ich ein Ende mit ihr, und es war nichts anderes, als einen gefangenen Haifisch mit dem Knüppel zu erschlagen. Der dritte im Bunde ging heftig auf mich los, wahrscheinlich glaubte er, den Stock unterlaufen zu haben. Es sollte ihm nichts nützen, dass er Recht hatte. Ich ließ den Stock fallen und ging mit bloßen Händen auf ihn los. Er bestand nur aus Haut und Knochen, und er stank. Ich schleuderte ihn rücklings zu Boden, und die Atemwolke, die er mir dabei ins Gesicht stieß, roch nach Aas. Mit Zähnen und Klauen fiel ich über ihn her, kaum weniger Bestie als er. Sie hatten mich daran gehindert, bei Fäustel zu sein, als er starb, und mich scherte nicht länger, was ich mit ihm anstellte, wenn es ihm nur wehtat. Er wehrte sich. Ich zerrte sein Gesicht über die Pflastersteine und stieß
ihm den Daumen ins Auge. Er schlug die Zähne in mein Handgelenk und riss mit den Fingernägeln meine Wange blutig. Als er zu guter Letzt aufhörte, sich gegen meinen Würgegriff aufzubäumen, schleifte ich ihn zur Kaimauer und stieß seinen leblosen Körper zu den Felsen hinunter.
    Keuchend und mit geballten Fäusten stand ich da. Ich schaute in Richtung der Roten Korsaren und forderte sie stumm heraus, doch zu kommen und ihr Glück zu versuchen, aber die Nacht war bis auf die Wellen und den Wind und das leise Röcheln der sterbenden Frau still. Entweder hatten die Piraten nichts gehört, oder sie waren zu sehr darauf bedacht, unentdeckt zu bleiben, um irgendwelchen nächtlichen Geräuschen nachzugehen. Der Seewind wehte mir entgegen und ich wartete auf jemanden, der entschlossen genug war, herzukommen und mich zu töten. Nichts regte sich. Eine

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