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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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meinem Wasservorrat. Zu meiner Ausrüstung gehörte auch ein zweiter Umhang. Ich wickelte mich darin ein und versagte mir eisern den Gedanken an ein wärmendes Feuer. Für jeden, der auf dem Feldweg am Fuß des Hügels vorbeikam, wäre das geradezu ein Signalfeuer gewesen.
    Vermutlich gibt es kaum etwas, das schwerer zu ertragen ist als dauernde Nervenanspannung. Ich versuchte zu meditieren, mich Galens Gabe zu öffnen, während ich vor Kälte zitterte und mir nicht eingestehen wollte, dass ich Angst hatte. Das Kind in mir sah unheimliche, zerlumpte Gestalten lautlos von allen
Seiten heranschleichen, Entfremdete, die mich für den Umhang und das bisschen Proviant totschlagen würden. Auf dem Rückweg von der Küste hatte ich mir einen Stock geschnitten, den ich jetzt mit beiden Händen umklammerte, doch er kam mir als Waffe ziemlich armselig vor. Hin und wieder nickte ich trotz meiner Ängste kurz ein, doch meine Träume quälten mich mit Bildern von Galen, der höhnisch zuschaute, wie die Entfremdeten mich einkreisten. Jedes Mal fuhr ich erschreckt hoch und fürchtete, der Alptraum könnte Wirklichkeit sein.
    Ich beobachtete zwischen den Bäumen hindurch den Sonnenaufgang und verbrachte die nächsten Stunden in einem unruhigen Halbschlaf. Der Nachmittag bescherte mir eine recht schwerfällige Ruhe. Ich vertrieb mir die Zeit damit, nach dem Getier in meiner Umgebung zu spüren. Mäuse und Singvögel bildeten mit ihren Hungergefühlen nur winzige Funken in meinem Bewusstsein und Kaninchen wenig mehr, aber ein Fuchs bewegte sich ernsthaft auf Freiersfüßen, und weiter entfernt fegte ein Rehbock genussvoll den Bast von seinem Gehörn. Der Abend dehnte sich ins Endlose. Ich war erstaunt darüber, wie hart es mich ankam, akzeptieren zu müssen, dass ich nichts gefühlt hatte, wirklich nicht die leiseste Berührung der Gabe. Entweder hatte Galen mich noch nicht gerufen, oder ich hatte ihn einfach nicht gehört. Ich aß Brot und Fisch und sagte mir immer wieder, nimm’s nicht so schwer. Eine Zeit lang versuchte ich, mich in einen gerechten Zorn hineinzusteigern, aber meine Verzweiflung war zu kalt und klamm, um von den Flammen des Zorns verzehrt zu werden. Ich war sicher, dass Galen mich um meine Chance betrogen hatte, aber ich würde es nie beweisen können, nicht einmal mir selbst. Der nagende Zweifel, ob seine Verachtung gerechtfertigt gewesen war, würde bleiben. In
pechschwarzer Dunkelheit lehnte ich den Rücken gegen einen Felsblock, legte den Stock über die Knie und nahm mir vor zu schlafen.
    Meine Träume waren verworren und alles andere als erfreulich. Edel stand vor mir, und ich war wieder ein Junge, der sein Bett im Stroh hatte. Er lachte und hielt ein Messer in der Hand. Veritas zuckte mit einem entschuldigenden Lächeln die Schultern. Chade wandte sich von enttäuscht mir ab. Molly lächelte Jade zu, so als wäre ich gar nicht da. Burrich hielt mich an der Hemdbrust gepackt und schüttelte mich, befahl mir, ein Mensch zu sein und kein Tier. Aber ich lag nur auf dem Stroh und einem alten Hemd und nagte an einem Knochen. Das Fleisch war sehr gut, und ich konnte an nichts anderes denken.
    Alles war schön behaglich, bis jemand die Stalltür öffnete und einen Spalt offen stehen ließ. Ein unangenehmer Luftzug kroch über den Boden und belästigte mich, und ich hob knurrend den Kopf. Meine Nase roch den Geruch von Burrich und Bier. Burrich näherte sich schwerfällig und ging mit einem gebrummten: »Schon gut, Fäustel«, an mir vorbei. Beruhigt legte ich den Kopf wieder auf die Vorderpfoten, während er die Treppe zu seiner Kammer hinaufstieg.
    Plötzlich ein Schrei, und Männer fielen die Stufen hinunter. Ich sprang auf, knurrte und bellte. Sie begruben mich beim Sturz fast unter sich. Dann sollte ich einen Tritt bekommen, schlug aber die Zähne in das Bein über dem Stiefel und biss fest zu. Ich bekam mehr Leder und Stoff zu packen als Fleisch, aber der Mensch stieß ein wütendes Zischen aus und schlug nach mir.
    Ein Messer drang in meine Seite.
    Ich presste die Kiefer zusammen, ließ nicht locker und knurrte tief aus der Kehle heraus. Andere Hunde waren aufgewacht
und kläfften, die Pferde stampften in ihren Boxen. Junge, rief ich um Hilfe. Ich fühlte ihn in meiner Nähe, doch er kam nicht. Der Eindringling trat nach mir, doch ich ließ nicht von ihm ab. Burrich lag im Stroh, ich witterte sein Blut. Er bewegte sich nicht. Ich hörte, wie Hexe sich oben gegen die Tür der Kammer warf, um zu ihrem Herrn zu

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