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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Prinzen zu ermorden.
    Solche Gedanken überfielen mich gewöhnlich erst, wenn ich mitten in der Nacht aufwachte. Der Himmel über Farrow schien viel reicher an Sternen zu sein als der über Bocksburg, und während ich zu ihnen hinaufschaute, dachte ich über Wege und Möglichkeiten nach, Prinz Rurisk das Leben zu nehmen. In der Tasche, die meine Kleidung und persönlichen Habseligkeiten enthielt, befand sich eine Schatulle, deren Inhalt ich mit Bedacht und sehr viel Sorgfalt zusammengestellt hatte, denn die perfekte Ausführung dieses Auftrags war von allergrößter Bedeutung. Der geringste Verdacht, etwas sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, musste sich verheerend auf das angestrebte Bündnis auswirken. Der Zeitplanung kam besondere Bedeutung zu. So durfte der Prinz keinesfalls sterben, solange sich unsere Delegation noch in Jhaampe aufhielt, das schon allein deshalb, weil kein Schatten auf die Hochzeitszeremonie fallen sollte. Er durfte auch nicht sterben, bevor die Feierlichkeiten in Bocksburg stattgefunden hatten und die Ehe unwiderruflich vollzogen
war, weil das als schlechtes Omen für die Jungvermählten gedeutet werden konnte. Einen solchen Tod zu arrangieren bereitete mir einiges Kopfzerbrechen.
    Manchmal fragte ich mich, weshalb diese Aufgabe mir und nicht Chade übertragen worden war. Sollte es eine Art Bewährungsprobe sein, und wenn ich sie nicht bestand, bezahlte ich dann mit meinem Leben? War Chade zu alt für diesen schwierigen Auftrag oder zu wertvoll, um in Gefahr zu geraten? Brauchte man ihn zu dringend bei Veritas, um diesen bei Kräften zu halten? Doch sobald es mir gelang, diese Gedanken beiseitezuschieben, fing ich an, darüber nachzugrübeln, ob ich ein Pulver einsetzen sollte, das Rurisks angegriffene Lungen so sehr reizte, dass er sich zu Tode hustete? Ich konnte sein Kissen und sein Bettzeug damit manipulieren. Oder sollte ich ihm ein Linderungsmittel anbieten, das ihn langsam süchtig machte und schließlich in einen gnädigen Todesschlaf versetzte? Ich hatte ein blutverdünnendes Tonikum mit dabei. Denn falls er bereits Blut hustete, mochte diese Methode angebracht sein. Dann gab es da noch ein rasch wirkendes, geschmackloses Gift, das fast immer todbringend war, wenn man nur garantieren könnte, dass er es nicht zu früh einnahm. Eigentlich hätten mich diese unerfreulichen Überlegungen ganze Nächte wachhalten müssen, aber die frische Luft und die Anstrengung eines ganzen Tages im Sattel genügten meist als natürliches Schlafmittel, und oft erwachte ich danach voller Vorfreude auf eine neue Etappe der Reise.
    Als wir endlich den Blauen See sichteten, tauchte er wie ein Wunder in der Ferne auf. Fast seit ich denken konnte, lebte ich in Sichtweite des Meeres, doch nun bemerkte ich überrascht, wie sehr ich den Anblick von Wasser vermisst hatte. Jedes Tier
in unserer Karawane erfüllte mein Bewusstsein hier mit der Witterung von frischem, klarem Wasser. Die Gegend wurde grüner und freundlicher, je näher wir dem großen See kamen, und wir mussten die Pferde daran hindern, sich an dem fetten Gras womöglich noch zu überfressen.
    Ganze Flotten von Segelbooten besorgten den Handel auf dem Blauen See; ihre farbenfrohen Segel verkündeten nicht nur, welche Waren sie an Bord hatten, sondern auch, für welche Familie sie fuhren. Die Siedlungen am Ufer waren auf Pfählen ins Wasser hinausgebaut. Wir wurden freundlich aufgenommen und mit Süßwasserfisch bewirtet, der für meinen an Meeresfrüchte gewöhnten Gaumen eigenartig schmeckte. Ich fühlte mich ganz wie der erfahrene Reisende, und Flink und ich hielten uns für die Allergrößten, als eines Abends die grünäugigen Töchter einer Kornhändlerfamilie an unser Feuer kamen und uns schöne Augen machten. Sie brachten kleine, buntbemalte Trommeln mit, jede davon anders gestimmt, und sie spielten und sangen für uns, bis ihre Mütter kamen und sie schimpfend mit nach Hause nahmen. Es war ein aufregendes Erlebnis, und in der Nacht dachte ich kein einziges Mal an Prinz Rurisk.
    In nordwestlicher Richtung ging es weiter. Den Blauen See überquerten wir auf flachbödigen Lastkähnen, zu denen ich nicht das geringste Vertrauen hatte. Am anderen Ufer fanden wir uns plötzlich in einem Waldgebiet wieder, und die Tage unter der brennenden Sonne Farrows verblassten zu einer beinahe sehnsüchtigen Erinnerung. Unser Weg führte durch einen imposanten Zedernwald, der mit weißen Birken, Erlen und Weiden durchmischt war. Der Hufschlag unserer Pferde

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