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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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klang dumpf auf der schwarzen, feuchten Erde, und es roch süß nach Herbst. Wir sahen Vögel, die wir nicht kannten, und einmal erhaschte
ich einen Blick auf einen großen Hirsch von einer Farbe und Art, wie ich seither keinen mehr zu Gesicht bekommen habe. Die Nachtweide für die Pferde war nicht gut, aber wir hatten vorsorglich bei den Leuten am See Körnerfutter eingekauft. Abends zündeten wir Feuer an, und Flink und ich teilten uns ein Zelt.
    Es ging stetig bergauf. Der Pfad mied die steilsten Hänge, aber wir gelangten unverkennbar höher hinauf ins Gebirge. Eines Nachmittags begegneten wir schließlich einer Abordnung aus Jhaampe, die man uns zur Begrüßung entgegengeschickt hatte und uns als Führer dienen sollte. Danach schien die Reise schneller vonstattenzugehen, und jeden Abend unterhielten uns Musikanten, Dichter und Akrobaten, während man uns mit den Delikatessen des Bergvolkes bewirtete. Jede Anstrengung wurde unternommen, um uns ein herzliches Willkommen zu bereiten und uns zu ehren. Doch ich fand diese Menschen überaus seltsam und fast unheimlich in ihrer Andersartigkeit. Oft war ich gezwungen, mich daran zu erinnern, was sowohl Burrich als auch Chade mich über die Gebote der Höflichkeit gelehrt hatten, während der arme Flink sich nach Möglichkeit fast völlig von diesen neuen Reisegefährten fernhielt.
    Nach ihrem Äußeren zu urteilen, gehörten die meisten von ihnen dem Stamm der Chyurda an und sahen genauso aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte: ein hochgewachsenes, bleichhäutiges Volk mit hellen Augen und meist blonden Haaren, manche darunter aber auch mit fuchsrotem Haar. Alle schienen einen Bogen oder eine Schleuder zu tragen, und offensichtlich fühlten sie sich zu Fuß wohler als auf einem Pferderücken. Gekleidet waren sie in Wolle und Leder, und selbst die Ärmsten trugen kostbare Pelze, als wäre es grobes Leinen. Während wir daherritten,
gingen sie neben uns her und hatten keine Mühe, einen ganzen Tag lang mit den Pferden Schritt zu halten. Beim Gehen stimmten sie in einer alten Sprache lang anhaltende Gesänge an, die sich wie Totenklagen angehört hätten, wären sie nicht von Zeit zu Zeit von hellem Sieges- oder Freudengeschrei unterbrochen worden. Später erfuhr ich, dass sie uns ihre Geschichte vortrugen, um uns einen Eindruck davon zu vermitteln, wie das Volk beschaffen war, dem die Braut unseres Prinzen entstammte. Ich fand heraus, dass es sich bei den meisten von ihnen um Sänger und Dichter handelte, in ihrer Sprache die »Gastlichen« genannt, denen traditionell die Aufgabe zufiel, Gäste zu begrüßen und dafür zu sorgen, dass sie sich auf die Ankunft freuten, noch bevor sie am Ziel waren.
    Im Lauf der nächsten zwei Tage mündeten links und rechts zahlreiche Pfade in unseren Weg. Er wurde breiter und war streckenweise mit weißen Schottersteinen gepflastert. Je näher wir Jhaampe kamen, desto länger wurde unsere Karawane, denn nun gesellten sich Abordnungen von Dörfern und Stämmen zu uns, die von den äußersten Grenzen des Bergreiches herbeiströmten, um miterleben zu können, wie ihre Prinzessin dem mächtigen Prinzen aus den Flachlanden das Eheversprechen gab. Begleitet von Hunden, Pferden und einer Ziegenart, die man hier als Packtiere benutzte, und gefolgt von Wagen mit Geschenken und einem bunt gemischten Menschengewimmel, kamen wir nach Jhaampe.

KAPITEL 20
    JHAAMPE
    … und so lasset sie kommen, die vom gleichen Volke sind wie ich, und wenn sie in die Stadt gelangen, sollen sie mit Fug und Recht sagen können: ›Dies ist unsere Stadt und unsere Heimat, so lange wir zu verweilen wünschen.‹ Immer soll Raum sein, immer (Worte unleserlich) für das Vieh und die Herden. Dann werden keine Fremden sein in Jhaampe, sondern Nachbarn und Freunde, die kommen und gehen, wie es ihnen beliebt.« Und der Wille des OPFERS wurde befolgt, in diesen wie in allen Dingen.
     
    Dies las ich Jahre später auf dem Fragment einer heiligen Schrifttafel der Chyurda und lernte damit die Eigenart dieser Stadt besser verstehen, aber bei jenem ersten Mal, als wir hinauf nach Jhaampe ritten, war ich zugleich enttäuscht und überwältigt von dem Anblick, der sich uns bot.
    Die Tempel, Paläste und öffentlichen Gebäude erinnerten mich an riesige geschlossene Tulpenblüten, sowohl in der Farbe als auch in der Form. Die Form verdankten sie den einst traditionellen Behausungen der Nomaden, den Gründern dieser Stadt, und die Farben waren der kindlichen Freude des Bergvolks
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