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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mit friedlichen Wettkämpfen im Bogenschießen, Ringen und Laufen. Jung und alt, Männlein und Weiblein, nahmen daran teil, und man schien fest daran zu glauben, wer an einem solch bedeutungsvollen Tag den Sieg davontrug, dem sei ein ganzes Jahr lang Glück beschieden. Danach versammelte man sich erneut an den reich gedeckten Tischen, und anschließend gab es Gesang und Tanz und eine
Art Puppentheater, nur agierten hier Schatten auf einem straff gespannten Seidentuch. Als sich die Gäste nach und nach zurückzogen, war ich mehr als reif für mein Bett. Ich hatte gerade mein unbequemes Hemd ausgezogen und ließ diesen ereignisreichen Tag noch einmal in Gedanken vorüberziehen, als es an die Tür klopfte.
    Ohne ein Herein abzuwarten, steckte Sevrens den Kopf ins Zimmer. »Prinz Edel wünscht dich zu sehen«, sagte er.
    »Jetzt?«
    »Weshalb sonst hätte er mich jetzt zu dir geschickt?«
    Verdrossen zog ich mein Hemd wieder an und folgte ihm. Edels Gemächer befanden sich im sogenannten zweiten Stockwerk des Palastes, genau genommen einer Empore an einer Seite der Großen Halle. Die Wände bestanden aus stoffbespannten Holzrahmen, und es gab einen großzügigen Balkon, auf dem er stehen und sich umblicken konnte, bevor er hinunterstieg. Es wirkte alles recht komfortabel. Einige der Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände waren offensichtlich Chyurda, zum Beispiel bunte, auf Seide gemalte Vögel und etliche Bernsteinfigurinen, doch viele Wandbehänge, Statuetten und Tapisserien sahen mir eher danach aus, als hätte Edel sich hier häuslich eingerichtet. Ich wartete im Vorzimmer, während er ein Bad nahm. Als er endlich in seinem Nachthemd zum Vorschein kam, war ich kaum noch imstande, die Augen offen zu halten.
    »Nun?«, wollte er wissen.
    Ich sah ihn verständnislos an. »Ihr habt mich rufen lassen.«
    »Ja. Allerdings. Und ich wüsste gerne, weshalb es notwendig war. Ich dachte, du hättest so etwas wie eine Ausbildung in dieser Hinsicht erhalten. Wie lange wolltest du denn damit warten, mir Bericht zu erstatten?«

    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Edel Bericht erstatten? Listenreich und Chade, ja, sicherlich. Genauso Veritas. Aber Edel?
    »Muss ich dich an deine Pflichten gemahnen? Rapport!«
    Ich sammelte meine Gedanken. »Möchtet Ihr meine Erkenntnisse über die Chyurda als Volk hören? Oder was ich über die Pflanzen erfahren habe, die sie kultivieren? Oder …«
    »Ich möchte wissen, was du hinsichtlich deines … Auftrags zu tun gedenkst. Hast du entsprechende Schritte unternommen? Einen Plan ausgearbeitet? Wann können wir mit Ergebnissen rechnen und welcher Art? Ich möchte wirklich nicht, dass der Prinz mir tot vor die Füße fällt, und ich bin nicht darauf vorbereitet.«
    Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Niemals hätte Listenreich derart unverblümt von meiner Arbeit gesprochen. Selbst wenn keine Zuhörer in der Nähe waren, beschränkte er sich auf reine Andeutungen und vage Fingerzeige und überließ es mir, meine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Ich hatte Sevrens in einem benachbarten Gemach verschwinden sehen, wusste aber nicht, wo der Mann sich jetzt gerade aufhielt oder wie hellhörig diese Räume waren. Und Edel redete, als ginge es darum, ein Pferd zu beschlagen.
    »Bist du unverschämt oder dumm?«, fuhr er mich an.
    »Weder noch«, antwortete ich mit aller Höflichkeit, die ich aufzubringen vermochte, »nur vorsichtig. Mein Prinz.« Letzteres fügte ich in der Hoffnung hinzu, damit etwas Distanz zwischen uns zu schaffen.
    »Eine unnötige Vorsicht. Ich vertraue meinem Leibdiener, und sonst ist niemand hier. Also berichte. Mein kleiner Assassine.« Er schien seine letzten Worte für einen brillanten Seitenhieb zu halten.

    Ich holte tief Atem und rief mir ins Gedächtnis, dass ich ein Vasall des Königs war. Und in diesem Moment, an diesem Ort, fungierte Edel als Repräsentant des Königshauses. Ich wählte meine Worte mit Bedacht. »Gestern, bei einem Spaziergang im Garten, erfuhr ich von Prinzessin Kettricken, Ihr hättet sie gewarnt, ich sei ein Giftmischer und ihr Bruder, Rurisk, sollte mein Opfer sein.«
    »Eine Lüge«, sagte Edel sofort. »Ich habe ihr nichts dergleichen erzählt. Entweder warst du ungeschickt genug, dich selbst zu verraten, oder sie hat nur auf den Busch geklopft. Ich hoffe, du bist ihr nicht auf den Leim gegangen?«
    Er war ein höchst mittelmäßiger Lügner. Ich überging seine Ausreden und berichtete weiter. Dass man mich vergiftet hatte und von

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