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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erblicke ich einen Kreuzweg und wen in der Mitte? Dich. Glaubst du, ich stehe dir bei, weil ich so begeistert von dir bin? Nein. Du erschaffst Alternativen. Durch deine Existenz verhilfst du uns zu einer größeren Auswahl an Möglichkeiten. Je mehr Möglichkeiten, desto mehr Chancen, in ruhigeres Wasser zu gelangen. Du siehst, es geschieht nicht um deinetwillen, sondern zum Nutzen der Sechs Provinzen, dass ich dein Leben erhalte. Und deine Pflicht ist die Gleiche. Weiterhin zu leben und Alternativen zu erschaffen.«
     
    Beim Erwachen steckte ich noch in derselben Zwickmühle, in der ich mich beim Einschlafen befunden hatte, und ein Ausweg war weit und breit nicht in Sicht. Wenn ich mit Chade sprechen könnte. Aber das war nicht möglich, also schloss ich die Augen und versuchte zu denken, wie er es mich gelehrt hatte. »Was weißt du?«, würde er mich fragen, und: »Was vermutest du?« Nun gut.

    Edel hatte König Listenreich belogen, was Rurisks Gesundheit und seine Haltung gegenüber den Sechs Provinzen anging. Oder, was ebenfalls möglich war: König Listenreich hatte mich belogen, was Edels Berichte aus Bergreich anging. Schließlich gab es noch die Möglichkeit, dass Rurisk bezüglich seiner Absichten uns gegenüber die Unwahrheit gesagt hatte. Nach kurzem Überlegen beschloss ich, meiner ersten Annahme zu folgen. Listenreich hatte mich meiner Erinnerung nach nie belogen, und Rurisk hätte mich seelenruhig sterben lassen können, statt in mein Zimmer gestürzt zu kommen, um mich vielleicht noch zu retten. Punkt. Offenbar wollte Edel Rurisk tot sehen. Oder? Wenn er Rurisk tot sehen wollte, weshalb verriet er mich dann an Kettricken? Oder hatte sie tatsächlich nur auf den Busch geklopft? - Hm. Unglaubhaft. Selbst wenn sie den Verdacht hegte, Listenreich könne einen Assassinen schicken, wie kam sie dann ausgerechnet auf mich? Nein. Sie hatte meinen Namen wiedererkannt. Und wusste von Lady Quendel. Punkt.
    Und Edel hatte gestern Abend zweimal betont, sein Vater werde es noch bereuen, nicht Lady Quendel geschickt zu haben. Doch auch ihren Namen hatte er Kettricken verraten. Wen wollte Edel in Wirklichkeit aus dem Weg haben? Prinz Rurisk? Oder Lady Quendel und mich, indem wir nach einem missglückten Attentat vor Gericht gestellt und verurteilt wurden? Und in welcher Weise nützte das ihm und der Hochzeit, deren Zustandekommen er betrieben hatte? Und weshalb bestand er darauf, dass ich Rurisk tötete, wenn allein schon die politische Vernunft dafür sprach, ihn leben zu lassen?
    Wenn ich doch nur mit Chade sprechen könnte! Unmöglich. Ich musste selbst einen Entschluss fassen. Außer …
    Wie schon gestern brachten Diener mir Wasser und Obst.
Ich stand auf, zog meine unbequemen Kleider an, aß etwas und verließ danach mein Gemach. Dieser Tag versprach nicht anders zu werden als der Tag zuvor. Die festliche Atmosphäre begann, an meinen Nerven zu zerren. Um die Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, erkundete ich den Palast. Ich fand des Königs, Rurisks und Kettrickens Gemächer und studierte sorgfältig die Treppe und den stützenden Unterbau von Edels Räumlichkeiten. Cob schlief wie Burrich in den Ställen. Von Burrich war nichts anderes zu erwarten, er würde die Pferde aus Bocksburg hüten wie seinen Augapfel, bis wir Jhaampe verließen. Aber weshalb hatte sich Cob ebenfalls dort einquartiert? Um sich bei Burrich einzuschmeicheln oder um ihn zu bespitzeln? Sevrens und Rowd schliefen in Edels Vorzimmer, trotz der vielen freien Zimmer im Palast. Zu guter Letzt wollte ich die Dienstpläne der Wachen studieren, konnte aber nichts dergleichen finden. Während meines Erkundungsganges hielt ich Ausschau nach August, doch erst spät am Vormittag gelang es mir, ihn in einer ruhigen Ecke anzutreffen. »Ich muss mit dir reden. Unter vier Augen«, sagte ich.
    Er wirkte ungehalten und schaute sich um, ob jemand uns beobachtete. »Nicht hier, Fitz. Vielleicht wieder zu Hause in Bocksburg. Ich habe offizielle Verpflichtungen …«
    Darauf war ich vorbereitet. Ich zeigte ihm die Nadel, die der König mir vor so vielen Jahren gegeben hatte. »Siehst du das? Ich bekam sie von König Listenreich und mit ihr das Versprechen, wenn ich je mit ihm sprechen müsste, würde sie mir Zutritt zu seinen Gemächern verschaffen.«
    »Wie rührend«, bemerkte August zynisch. »Und hast du einen Grund, mir diese Geschichte zu erzählen? Willst du mich etwa beeindrucken?«

    »Ich muss den König sprechen. Auf der Stelle.«
    »Er ist

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