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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hatte ich zu Veritas gesagt - ich war des Königs Mann. Nun gut. Ich verließ mein Zimmer wieder und ging auf leisen Sohlen durch den Palast. In der Großen Halle schliefen die einfachen Leute auf Matten, die auf dem Boden in konzentrischen Kreisen um das Podium ausgelegt waren. So konnte ihnen am morgigen großen Tag niemand den Platz streitig machen. Ich ging zwischen ihnen hindurch, aber niemand rührte sich. Solch großes Vertrauen - und so fehl am Platze.
    Die Gemächer der königlichen Familie befanden sich im hintersten Teil des Palastes, der vom Portal am weitesten entfernt war. Nirgendwo Wachen. Ich ging zuerst an der Tür zum Schlafgemach des sehr zurückgezogen lebenden Königs vorbei, dann vorbei an Rurisks Tür und blieb schließlich vor Kettrickens stehen. Die Seidenbespannung in dem Holzgitter war mit Kolibris und Geißblättern bemalt, und ich musste unwillkürlich daran denken, wie sehr dies dem Narren gefallen hätte. Ich klopfte leise an und wartete. Einige Zeit verging. Ich klopfte erneut.
    Darauf folgten Schritte von bloßen Füßen, und die Tür wurde aufgeschoben. Aus Kettrickens Zöpfen, die für die Nacht geflochten worden waren, hatten sich rings um ihr Gesicht bereits wieder feine Strähnen gelöst. In ihrem langen weißen Nachtgewand kam sie mir so blass vor wie der Narr. »Brauchst du etwas?«, fragte sie verschlafen.
    »Nur die Antwort auf eine Frage.« Der Rauch geisterte immer noch durch meine Gedanken. Ich wollte lächeln und vor ihr witzig und klug erscheinen. Schneegleiche Schönheit, dachte ich. Dann rief ich mich energisch zur Ordnung. Sie wartete. »Wenn ich heute Nacht Euren Bruder tötete«, fragte ich langsam, »was würdet Ihr tun?«

    Sie zuckte nicht mit der Wimper. »Dich selbstverständlich töten. Oder ich würde zur Sühne deinen Kopf verlangen. Da ich jetzt deiner Familie verpflichtet bin, darf ich meine Hand aber nicht selbst mit deinem Blut beflecken.«
    »Aber bliebe es bei der Hochzeit? Würdet Ihr Euch trotzdem mit Veritas vermählen?«
    »Ich habe mich den Sechs Provinzen als ihre Königin angelobt. Ich habe mich dem Volk der Sechs Provinzen angelobt. Morgen werde ich mich dem Thronfolger angeloben. Nicht einem Mann namens Veritas. Doch selbst wenn alles anders wäre, frage dich, welches ist bei allem der stärkste Bund? Nicht nur ich gebe mein Wort, sondern auch mein Vater, der König, und mein Bruder. Ich habe nicht den Wunsch, einen Mann zu heiraten, der den Befehl gegeben hat, meinen Bruder zu ermorden, doch nicht der Mann ist es, dem ich angehöre. Es sind die Sechs Provinzen. Man sendet mich dorthin in der Hoffnung, das durch diese Vermählung besiegelte Bündnis möge beiden Ländern zum Vorteil gereichen. Dorthin muss ich gehen.«
    Ich nickte. »Ich danke Euch, Prinzessin. Vergebt mir, dass ich Eure Nachtruhe gestört habe.«
    »Wohin gehst du jetzt?«
    »Zu Eurem Bruder.«
    Ich spürte, dass sie mir nachschaute, als ich zum Gemach ihres Bruders ging. Ich klopfte und wartete. Rurisk schien noch wach gewesen zu sein, denn er öffnete sehr viel schneller als seine Schwester.
    »Darf ich hereinkommen?«
    »Selbstverständlich.« So liebenswürdig, wie ich es erwartet hatte. Fast überwältigte mich ein trunkenes Kichern, das an meiner Entschlossenheit rüttelte. Chade wäre in diesem Augenblick
alles andere als stolz auf dich, tadelte mich meine innere Stimme, und widerstand einem Lächeln.
    Ich trat ein, und er schloss die Tür hinter mir. »Trinken wir Wein?«, fragte ich.
    »Wenn du es wünschst«, meinte er verwundert, blieb aber höflich. Ich setzte mich auf einen Stuhl, während er den Stöpsel aus einer Karaffe zog und uns einschenkte. Auf seinem Tisch stand ein noch warmes Räuchergefäß. Im Großen Saal hatte ich ihn nicht dem Rauch frönen gesehen. Wahrscheinlich hielt er es für sicherer, abzuwarten, bis er allein in seinem Zimmer war. Aber man kann nie wissen, wann ein Mörder zu Besuch kommt und den Tod mit sich bringt. Wieder musste ich gegen ein albernes Lächeln ankämpfen. Er füllte zwei Gläser. Ich beugte mich vor und zeigte ihm mein Papiertütchen. Gewissenhaft ließ ich den Inhalt in seinen Wein rieseln, schwenkte das Glas, damit das Pulver sich auflöste und reichte es ihm.
    »Ich bin gekommen, um Euch zu vergiften, müsst Ihr wissen. Ihr sterbt. Dann wird Kettricken mich töten. Danach heiratet sie Veritas.« Ich hob mein Glas und nippte. Apfelwein. Aus Farrow, nahm ich an. Wahrscheinlich Teil der Hochzeitsgeschenke. »Aber was

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