Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
sondern Vorsorge getroffen. Ich stand daneben, als Rurisk sich erneut zusammenkrümmte, und wusste, es gab nichts, was ich für ihn tun konnte. In meinem Mund breitete sich ein taubes Gefühl aus. Fast unbeteiligt fragte ich mich, wie groß die Dosis gewesen sein mochte. Ich hatte von dem Wein nur genippt. Würde ich hier sterben oder auf dem Schafott?
Einen Atemzug nach mir begriff auch Kettricken, dass ihr Bruder wahrhaftig im Sterben lag. »Du Ungeheuer!«, schrie sie mich an und sank neben Rurisk auf die Knie. »Ihn einzulullen mit schönen Worten und Rauch. Ihn anzulächeln, während er stirbt!« Sie richtete die funkelnden Augen auf Cob. »Ich fordere seinen Tod. Edel soll kommen, auf der Stelle!«
Ich bewegte mich zur Tür, aber Cob war schneller. Natürlich. Cob hatte an diesem Abend keinen Rauch abbekommen. Er war flinker und kräftiger als ich und nicht berauscht. Wir stürzten beide zu Boden. Ich hatte sein Gesicht dicht vor mir, als er mir die Faust in den Magen rammte. Sein Atem, sein Schweiß - ihn hatte Fäustel gewittert, bevor er starb. Aber diesmal hatte ich das Messer im Ärmel, und es war sehr scharf und mit dem tödlichsten Gift präpariert, das Chade kannte. Nachdem er getroffen
war, gelang es ihm gerade noch, zwei Schläge bei mir anzubringen, was solide Treffer waren, doch dann sank er sterbend zurück. Leb wohl, Cob. Mit seinem letzten Atemzug sah ich plötzlich einen sommersprossigen Stallburschen vor mir und hörte ihn sagen: »Nun kommt, ihr beiden. So ist es brav.« So vieles hätte anders sein können. Ich hatte diesen Mann gekannt - und mit ihm starb ein Teil meines eigenen Lebens.
Burrich würde sehr ungehalten sein.
Diese ganzen Gedankengänge hatten nur den Bruchteil einer Sekunde in Anspruch genommen. Cobs leblose Hand hatte noch nicht den Boden berührt, als ich fast an der Tür war.
Kettricken kam mir zuvor. Es dürfte eine Messingkanne gewesen sein. Ich sah nur noch einen grellweißen Lichtblitz.
Als ich wieder zur Besinnung kam, tobten Schmerzen in meinem ganzen Körper. Am schlimmsten taten mir die hinter den Rücken gefesselten Hände weh, denn man hatte die Stricke unerträglich fest angezogen. Ich wurde mehr schlecht als recht getragen. Weder Rowd noch Sevrens schien es zu kümmern, ob sie mich brutal über den Boden schleiften. Edel war da, mit einer Fackel, und ein fremder Chyurda ging mit einer zweiten Fackel voraus. Wir befanden uns im Freien, mehr wusste ich nicht.
»Gibt es kein Verlies, wo wir ihn einsperren können? Oder wenigstens einen abgeschlossenen Raum?«, verlangte Edel zu wissen. Dann folgte eine gemurmelte Erwiderung, bis wieder Edels Stimme ertönte: »Ihr habt Recht. Kein Aufsehen jetzt. Für öffentliche Empörung ist morgen noch Zeit. Auch wenn ich nicht glaube, dass er so lange am Leben bleibt.«
Eine Tür ging auf, und man warf mich auf einen harten Lehmboden, der nur dünn mit Stroh bedeckt war, Staub und Spreu stiegen mir in die Nase. Ich konnte nicht husten. Edel
gestikulierte mit seiner Fackel. »Geh zur Prinzessin«, befahl er Sevrens. »Sag ihr, ich werde bald bei ihr sein. Sieh zu, ob es etwas gibt, das wir tun können, um das Leiden des Prinzen zu lindern. Du, Rowd, hol mir August her. Wir brauchen seine Gabe, um König Listenreich wissen zu lassen, dass er einen teuflischen Verräter innerhalb seiner Reihen hat. Ich brauche seine Vollmacht, bevor der Bastard krepiert. Falls er überhaupt lange genug lebt, um gerichtet zu werden. Geht jetzt, geht.«
Sie marschierten hinter dem Chyurda her, der ihnen den Weg leuchtete. Edel blieb zurück und sah schweigend auf mich hinunter. Er wartete, bis ihre Schritte in der Ferne verklungen waren, bevor er mir genussvoll in die Rippen trat. Ich stieß einen unartikulierten Schrei aus, denn mein Mund und meine Kehle waren taub. »Die Situation kommt mir bekannt vor, dir nicht? Du liegst im Stroh, ich sehe auf dich hinab und frage mich, welchem ungünstigen Geschick ich dein Auftauchen verdanke? Seltsam, wie so vieles endet, wie es auch beginnt.
Der Kreis, der sich hiermit schließt, ist zugleich ein Symbol der Gerechtigkeit. Dass du Gift und Verrat zum Opfer fällst, genau wie meine Mutter. Ah, du erschrickst. Dachtest du, ich wüsste es nicht? Ich wusste es. Ich weiß mehr, als du ahnst. Alles, von dem Gestank von Lady Quendel bis zu dem plötzlichen Verlust deiner Gabe, als Burrich dir nicht länger erlaubte, von seiner Kraft zu zehren. Wie schnell er dich fallen ließ, als er begriff, dass es ihn
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