Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
geschrubbt. Er schnitt mir das Stirnhaar und band die restlichen Haare im Nacken zusammen, wie ich es bei den erwachsenen Männern in der Burg gesehen hatte. Anschließend musste ich meine besten Kleider anlegen, wobei er mit der Zunge schnalzte, als er sah, wie sie mir zu klein geworden waren. Er zuckte mit den Schultern und meinte, das ließe sich leider vorerst nicht ändern.
Dann ging es in den Stall, wo er mir die Stute zeigte, die von nun an mir gehören sollte - ein Grauschimmel, dessen Fell nur leicht weiß gefleckt war. Mähne und Schweif, Nase und Strümpfe waren schwarz, wie mit Ruß bestäubt. Daher auch ihr Name: Rußflocke. Sie war ein ruhiges Tier, gut gebaut und gut gepflegt. Doch man hätte sich kein harmloseres Reittier vorstellen können. Wie die meisten Jungen hätte ich wenigstens auf einen heißblütigen Wallach gehofft, stattdessen bekam ich dieses sanftmütige Ruhigblut namens Rußflocke. Ich gab mir Mühe,
meine Enttäuschung zu verbergen, aber Burrich durchschaute mich. »Du hältst nicht viel von dem alten Mädchen, stimmt’s? Nun, was für ein edles Ross hattest du denn gestern, Fitz, dass du dir erlauben kannst, über ein williges, gesundes Tier wie Rußflocke die Nase zu rümpfen? Sie ist trächtig von diesem tückischen braunen Zuchthengst von Lord Temperenz. Also behandle sie rücksichtsvoll. Cob hatte sie in der Schule. Er hatte gehofft, ein Jagdpferd aus ihr machen zu können, aber ich habe beschlossen, dass sie für dich genau das richtig ist. Es ging ihm gegen den Strich, aber ich habe ihm versprochen, dass er dafür sein Glück mit dem Fohlen versuchen darf.«
Burrich hatte einen alten Sattel für mich hergerichtet, denn er schwor - ganz gleich was Seine Majestät, der König, sagen mochte -, ich würde mich erst als guter Reiter erweisen müssen, bevor er mir einen neuen anfertigen ließe. Rußflocke trabte brav an und reagierte prompt auf den Zügel und den Druck meiner Knie. Cob hatte ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ihr Temperament und ihr Gemüt erinnerten mich an einen stillen Teich. Falls sie überhaupt dachte, dann nicht an das, was wir taten. Währenddessen beobachtete mich Burrich zu scharf, als dass ich den Versuch riskiert hätte, zu ihren Gedanken vorzudringen und mit ihr Verbindung aufzunehmen. Also ritt ich sie blind und übermittelte ihr meine Wünsche ausschließlich durch Schenkeldruck, Zügelführung und Gewichtsverlagerungen. Der Unterricht hatte noch nicht lange gedauert, da waren meine Kräfte bereits erschöpft, was Burrich wusste, weshalb er mich aber noch lange nicht von der Pflicht befreite, nach Unterrichtsende mein Pferd zu striegeln und zu füttern und anschließend noch Sattel und Zaumzeug zu reinigen. Schließlich schimmerte Rußflockes Mähne wie Seide, und das alte Leder glänzte vor Fett, bevor es
mir erlaubt wurde, loszugehen und meinen hungrigen Magen zu stillen.
Doch als ich den Weg zum Hintereingang der Küche einschlug, fiel Burrichs Hand auf meine Schulter.
»Nein, nicht mehr dorthinein«, sagte er bestimmt. »Das taugt für Soldaten und Gärtner und ihresgleichen, doch es gibt einen Saal, wo die Hochgeborenen und ihre engeren Gefolgsleute speisen. Auch du wirst von heute an deine Mahlzeiten dort einnehmen.«
Mit diesen Worten bugsierte er mich in einen halbdunklen Raum, der von einer langen Tafel beherrscht wurde, an deren Kopfende ein zweiter, etwas erhöhter Tisch quergestellt war. Dort war reich gedeckt worden, und den Leuten, die auf den Bänken saßen, boten sich alle möglichen Speisen dar. Einige von ihnen waren noch mit einem späten Frühstück, andere mit einem frühen Mittagessen beschäftigt. Wenn kein Mitglied der königlichen Familie anwesend war wie heute, achtete man nicht auf feste Zeiten und Förmlichkeiten.
Burrich schob mich zu einem Platz an der linken Seite der langen Tafel, etwas oberhalb der Mitte. Er selbst nahm etliche Sitze weiter unten Platz. Ich hatte einen riesigen Hunger, und da mich keine allzu aufdringlichen Blicke störten, machte ich mit einem übervollen Teller an Leckereien kurzen Prozess. Die aus der Küche stibitzten Leckerbissen waren heißer und frischer gewesen, aber solche Feinheiten zählen nicht groß für einen heranwachsenden Jungen, und ich aß tüchtig nach meinem anstrengenden Morgen.
Endlich war ich satt und zufrieden, so dass meine Gedanken in Erinnerung zu einer bestimmten sandigen und von der Nachmittagssonne beschienenen Böschung abschweiften, wo
sich die Heimat einer großen
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