Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
ihr Ärger besonders groß ist, kommt sie mir mit der alten Leier, ich solle mich vorsehen, dass Tilth und Farrow sich nicht erheben und sich zu einem selbstständigen Königreich verbinden, in dem sie die Krone trägt.«
»Und ich nach ihr!«, fügte Edel trotzig hinzu. Listenreich nickte vor sich hin. »Ja, ich war sicher, dass sie dir einen solchen Floh ins Ohr gesetzt hat. Hör mir zu, Sohn. Sie mag Gift und Galle spucken und mit Geschirr nach den Dienstboten werfen, aber damit hat es sich dann auch. Denn sie weiß, dass es sich angenehmer als Königin in einem befriedeten Reich lebt, denn als Herzogin eines im Aufruhr befindlichen Landes. Und Farrow hat keine Gründe, gegen mich aufzustehen, außer solchen, die sie sich zusammenfantasiert. Ihr Ehrgeiz ist von jeher größer gewesen als ihre Intelligenz.« Er verstummte und sah Edel vielsagend an. »Bei jemandem, der herrschen will, ein höchst beklagenswerter Mangel.«
Edel schaute zu Boden. Ich konnte spüren, wie die Wut in ihm brodelte, die er aber wohlweislich unterdrückte.
»Komm mit«, sagte der König, und Edel folgte ihm auf dem Fuße, gehorsam wie ein wohlerzogener Hund. Aber der Blick, den er mir beim Abschied zuwarf, sprach Bände.
Der alte König verließ den Saal. Ich blieb stehen und schaute ihm nach. Mich überkam das Gefühl, etwas verloren zu haben. Seltsamer Mann. Bastard oder nicht, er hätte mich als Enkel anerkennen und als Schuldigkeit einfordern können, was er stattdessen
beschloss zu kaufen. Der blasse Narr zögerte an der Tür. Er schaute zu mir zurück und vollführte eine unverständliche Bewegung mit seinen schmalen Händen. Es konnte eine Beleidigung sein oder eine segnende Geste. Oder einfach nur die sinnlose Gebärde eines Narren. Dann lächelte er, streckte mir die Zunge heraus und beeilte sich, seinen Gebieter einzuholen.
Ungeachtet der Versprechungen des Königs stopfte ich mir das Wams mit süßen Kuchen voll. Die Hunde und ich teilten uns die Beute in einer dunklen Ecke hinter den Stallungen. An ein derart reichliches Frühstück war keiner von uns gewöhnt, und ich büßte während der nächsten Stunden dafür mit heftigen Bauchschmerzen. Die Hunde rollten sich zusammen und schliefen, aber ich schwankte in meinen Gefühlen zwischen Angst und Vorahnungen. Fast hoffte ich, alles möge im Sande verlaufen, dass der König nur vergessen möge, was er zu mir gesagt hatte. Doch er vergaß es nicht.
Spät am Abend kehrte ich schließlich in Burrichs Kammer zurück. Den ganzen Tag hatte ich mir auszumalen versucht, was das Ereignis dieses Morgens für Folgen haben könnte. Vergeudete Stunden, denn bei meinem Eintritt legte Burrich das Zaumzeug beiseite, an dem er arbeitete, und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf mich. Eine Weile musterte er mich schweigend, und ich ertrug seinen stechenden Blick. Etwas hatte sich verändert, und das machte mir Angst. Seit er mir Nosy weggenommen hatte, war ich überzeugt gewesen, dass Burrich auch über mein Sein oder Nichtsein gebot, dass man einen kleinen Jungen ebenso leicht fortschaffen konnte wie einen kleinen Hund. Dennoch entwickelte sich bei mir mit der Zeit ein Gefühl der Nähe und Zugehörigkeit ihm gegenüber; man muss nicht lieben, um von jemandem abhängig zu sein. Dieses Bewusstsein,
mich auf Burrich verlassen zu können, war die einzige wirkliche Sicherheit in meinem Leben, und nun glaubte ich, auch sie würde mir genommen.
»Soso.« Endlich brach er das Schweigen. »Du musstest dich also in den Vordergrund drängen. Hattest keine Ruhe, bis er auf dich aufmerksam geworden ist. Nun gut. Er hat entschieden, was mit dir werden soll.« Burrich seufzte, und sein Schweigen bekam ein anderes Gewicht. Für einen kurzen Augenblick kam es mir beinahe so vor, als hätte er Mitleid mit mir. Dann sprach er weiter.
»Morgen soll ich für dich ein Pferd aussuchen. Er meinte, es sollte ein junges sein, damit ich euch beide zusammen ausbilden kann, doch ich überredete ihn, dich mit einem älteren, ruhigeren Tier anfangen zu lassen. Ein Lehrling nach dem anderen, sagte ich zu ihm. Doch ich habe meine eigenen Gründe, dir ein Tier zuzuteilen, das … weniger empfänglich ist. Sieh dich vor, ich merke es, wenn du Unfug treibst. Verstehen wir uns?«
Ich nickte heftig.
»Antworte, Fitz. Du musst dich daran gewöhnen, den Mund aufzumachen, wenn du mit Lehrern und Ausbildern zu tun hast.«
»Ja, Herr.«
Das war ganz Burrich. Die Auswahl meines Pferdes war seine größte Sorge gewesen.
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