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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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an einem niedrigen Tisch auf weichen Teppichen vor dem Kamin; ich beobachtete, wie der Feuerschein über seine zerklüfteten Gesichtszüge huschte, und fragte
mich, weshalb er mir zuvor so furchteinflößend erschienen war. Er bemerkte meine Blicke und verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln. »Kommt dir bekannt vor, Junge, nicht wahr? Mein Gesicht.«
    Nein, es kam mir nicht im geringsten bekannt vor. Mich hatten die grotesken Narben auf der kreidigen weißen Haut fasziniert. Was meinte er wohl damit? Ich starrte ihn fragend an.
    »Mach dir keine Gedanken deswegen, Junge. Es hinterlässt seine Spuren bei uns allen, und früher oder später wirst du dahinterkommen. Aber sei’s drum, jetzt …« Er stand auf und reckte sich, so dass unter dem Saum des Gewandes seine knochigen bleichen Unterschenkel zum Vorschein kamen. »Jetzt ist es vor allem schon recht spät. Oder eben früh, je nachdem, welches Ende des Tages du bevorzugst. Zeit für dich, wieder ins Bett zu gehen. Du wirst daran denken, dass dies alles hier ein sehr dunkles Geheimnis ist, oder? Nicht bloß ich und dieses Zimmer, sondern die ganze Angelegenheit - nachts aufstehen und lernen, wie man Menschen ermordet und so weiter.«
    »Ich werde nichts verraten«, sagte ich, und weil ich spürte, dass er darauf wartete, fügte ich hinzu: »Mein Wort darauf.«
    Er kicherte vor sich hin, dann nickte er beinahe traurig. Ich vertauschte den schäbigen Kittel mit meinem Nachthemd, und Chade begleitete mich die Treppe hinunter. In meinem Zimmer angelangt, hielt er mir die Lampe, während ich in das große Bett stieg, und deckte mich zu, wie es seit meinem Auszug aus Burrichs Kammer niemand mehr getan hatte. Ich glaube, ich war schon eingeschlafen, noch bevor er hinausgegangen war.
    Am nächsten Morgen schickte man Brant, um mich zu wecken, so gründlich hatte ich verschlafen. Ich fühlte mich ziemlich angeschlagen, und mein Kopf pochte heftig vor Schmerzen.
Doch kaum war ich wieder für mich allein, da sprang ich aus dem Bett und lief zu der Ecke meines Zimmers, wo sich die mysteriöse Tür aufgetan hatte. Unter meinen Handflächen spürte ich nur kalten Stein. Kein Riss, kein Spalt wies auf die geheime Pforte hin, von deren Vorhandensein ich felsenfest überzeugt war. Selbst wenn ich für einen Augenblick daran geglaubt hätte, Chade könnte nur ein Traum gewesen sein, dann war da noch der schmucklose Kupferreif an meinem Handgelenk, der mich vom Gegenteil überzeugte.
    Ich streifte rasch die Kleider über und griff mir in der Küche im Vorbeigehen ein Stück Brot und Käse, an denen ich noch kaute, als ich im Stall ankam.
    Burrich war ob meiner Trägheit außer sich und fand an allem, was ich tat, etwas auszusetzen. Ich erinnere mich gut an seine Strafpredigt. »Glaub nicht, allein weil du ein Zimmer oben in der Burg hast und ein Wappen auf deinem Wams, kannst du dir erlauben, dich in einen nichtsnutzigen Faulpelz zu verwandeln, der bis Mittag im Bett liegt und dann nur aufsteht, um sich den Rest des Tages aufzuplustern. Ich dulde so etwas nicht. Du magst ein Bastard sein, aber du bist Chivalrics Bastard, und ich werde aus dir einen Mann machen, auf den er stolz sein kann.«
    Meine Hand mit dem Striegel blieb in der Luft hängen. »Du meinst Edel, nicht wahr?«
    Die unerwartete Frage überraschte ihn. »Wie?«
    »Wenn du von Faulpelzen redest, die bis Mittag im Bett liegen und sich nur um Frisuren und Kleider kümmern, dann meinst du Edel.«
    Im ersten Moment blieb Burrich der Mund offen stehen. Als er dann sprach, klang seine Stimme gepresst. »Weder du noch ich haben das Recht, einen der Prinzen zu kritisieren. Ich wollte
nichts weiter sagen, als dass es sich für einen Mann schlecht geziemt, den halben Tag zu verschlafen, und weniger noch für einen Jungen.«
    »Und am wenigsten für einen Prinzen«, fügte ich hinzu und wunderte mich selbst, woher dieser Gedanke gekommen war.
    »Und am wenigsten für einen Prinzen«, stimmte Burrich grimmig zu. Er war in der Nachbarbox mit dem wunden Bein eines Wallachs beschäftigt. Das Tier zuckte plötzlich, und ich hörte Burrich angestrengt ächzen, als er sich bemühte, ihn zu halten. »Dein Vater versäumte nie seine Pflichten, selbst wenn er am Abend vorher gezecht hatte. Natürlich war er trinkfest wie kaum ein zweiter, aber das lag auch an seiner Disziplin. Und es war nicht etwa so, dass ein Diener ihn wecken musste, er erhob sich als Erster von seinem Nachtlager und erwartete von allen in seinem Gefolge, dass sie

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