Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
Haut der Hände, und ich fühlte den kalten Smaragdglanz seiner Augen auf mir ruhen. In meinem Kopf drängten sich Worte, fanden aber nicht den Weg über meine Zunge. Seine Art weckte Vertrauen, doch sein Gesicht erschien mir immer noch furchteinflößender als alles andere, was ich mir bis dahin vorstellen konnte.
»Junge«, sagte er, und die Sanftheit in seiner Stimme veranlasste mich, ihm in die Augen zu sehen. »Ich kann dich unterrichten, auch wenn du mich hasst oder verabscheust für das, was du lernen sollst. Ich kann dich unterrichten, selbst wenn du gleichgültig bist oder faul oder dumm. Aber ich kann dich nicht unterrichten, wenn du dich davor fürchtest, mit mir zu sprechen. Zumindest nicht auf die Art, wie ich mir vorgenommen habe, dich zu unterrichten. Und es hat auch keinen Zweck, dich auf diese Weise zu unterrichten, wenn du beschließt, dass du dieses Gewerbe lieber nicht erlernen möchtest. Aber du musst es mir sagen. Du hast gelernt, deine Gedanken so gut zu verbergen, dass du beinahe selbst Angst hast, sie dir einzugestehen. Aber hab keine Scheu vor mir. Du wirst nicht bestraft werden.«
»Das gefällt mir nicht«, platzte es zu meiner eigenen Überraschung aus mir heraus. »Dass ich Menschen töten soll.«
»Aha.« Er nickte. »Mir gefiel es auch nicht, als der Augenblick der Wahrheit gekommen war. Und es gefällt mir immer noch nicht.« Plötzlich kam von ihm ein tiefer Seufzer. »Die Entscheidung stellt sich von Fall zu Fall von neuem. Das erste Mal ist das schwerste. Aber vorläufig solltest du bedenken, dass dir diese Entscheidung erst in ferner Zukunft bevorsteht. Und bis dahin hast du viel zu lernen.« Er zögerte. »Das ist der Punkt, Junge. Ein Grundsatz, der immer und überall gilt. Lernen ist niemals schlecht. Selbst zu lernen, wie man tötet, ist nicht schlecht. Und auch nicht gut. Es ist eine Wissenschaft, in der ich dich unterweisen kann. Weiter nichts. Also, bist du einverstanden, bei mir in die Lehre zu gehen und alles andere später mit deinem Gewissen auszumachen?«
Was für eine Frage, um sie einem Kind zu stellen. Sogar damals sträubten sich mir die Nackenhaare, aber welche Einwände hätte ich erheben sollen? Außerdem war meine Neugier geweckt.
»Ich will lernen.«
»Gut.« Er lächelte, aber ein Ausdruck von Müdigkeit trat auf sein Gesicht, und er wirkte nicht so erfreut, wie man hätte vermuten sollen. »Das ist fürs Erste wirklich genug. Wirklich genug.« Er schaute sich in dem Zimmer um. »Mit einem können wir aber gleich beginnen. Fangen wir damit an, dass wir hier Ordnung schaffen. In der Ecke steht ein Besen - aber da fällt mir ein, erst solltest du dein Nachthemd gegen etwas … - Aha, da hinten hängt ein alter Kittel. Den kannst du vorerst überziehen. Am Ende wundert man sich im Waschhaus, dass deine Nachthemden nach Kampfer und Wundsalben riechen; und das
wollen wir doch nicht? Nun, du fegst den Boden, und ich räume schon mal einiges von dem ganzen Plunder an Ort und Stelle.«
Und so vergingen die nächsten paar Stunden. Ich kehrte und wischte den Fliesenboden. Chade gab mir Anweisungen, wohin mit den ganzen Utensilien von dem großen Tisch, und ich wendete die Kräuterbüschel auf dem Trockengestell. Für seine Eidechsen schnitt ich übelriechendes altes Fleisch in kleine Stücke, die sie in ganzen Stücken verschlangen. Ich wusch eine Unzahl von Töpfen und Schüsseln sauber und räumte sie weg. Chade verrichtete gleichzeitig allerlei Arbeiten, schien dankbar für meine Gesellschaft zu sein und schwatzte, als wären wir beide alte Männer. Oder beide halbwüchsige Jungen.
»Kein Alphabet bis jetzt? Keine Zahlen? Unerhört! Was denkt sich der alte Knabe? Nun, ich werde dafür sorgen, dass sich das schnell ändert. Du hast die Stirn deines Vaters, Junge, und sogar seine Art, sie in Falten zu legen. Hat dir das schon einmal jemand gesagt? - Aha, da bist du ja, Schleicher, du Strauchdieb. Was hast du wieder angestellt?«
Ein braunes Wiesel tauchte hinter einem Wandteppich auf, und wir wurden miteinander bekanntgemacht. Chade zeigte mir, wie man Schleicher mit Wachteleiern fütterte, und lachte, als der kleine Kerl sich bettelnd an meine Fersen heftete. Er schenkte mir ein Kupferarmband, das ich unter dem Tisch entdeckte, warnte mich, es könnte meinen Arm grün färben, und falls jemand mich danach fragte, sollte ich sagen, ich hätte es hinter dem Stallgebäude gefunden.
Zwischendurch machten wir eine Pause bei Honigkuchen und Glühwein. Wir saßen
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