Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
zurück und ging sofort auf mein Zimmer. Mir war nicht nach Essen zumute und erst recht nicht nach den vielen Menschen und dem Lärm im Speisesaal. Ich lag auf meinem Bett und wollte nur für einen Moment die Augen schließen, doch unversehens fiel ich in tiefen Schlaf. Spät am Nachmittag wachte ich auf und dachte an das Donnerwetter das mich wegen der versäumten Unterrichtsstunden erwartete, aber nicht einmal dieser Schreck genügte, um mich zum Aufstehen zu bewegen. Ich döste wieder ein, bis gegen Abend eine Magd kam, um in Burrichs Auftrag nach mir zu sehen. Sie ging wieder, nachdem ich ihr erklärt hatte, mir wäre unpässlich und
ich wollte fasten, bis es mir wieder besser ging. Allein gelassen, dämmerte ich vor mich hin, ohne jedoch wieder einzuschlafen. Die Nacht brach herein, im Zimmer wurde es dunkel, und ich hörte, wie man sich in der Burg zur Ruhe begab. In der Finsternis und Stille wartete ich auf einen Ruf, dem, falls er kam, ich nicht wagen durfte zu folgen. Ich konnte nicht zu Chade gehen, weil ich ihm nicht gehorchen konnte. Was also, wenn sich die Tür jetzt öffnete? Was würde schlimmer sein: wenn sein Ruf ausblieb oder wenn er mir die Tür öffnete und ich mich nicht trauen würde, ihm zu folgen? In der Morgendämmerung wusste ich die Antwort - Chade hatte sich nicht die Mühe gemacht, mich zu rufen.
    Selbst heute denke ich nicht gerne an die darauffolgenden Tage zurück. Wie ein Gespenst irrte ich umher, so elend, dass ich weder essen noch schlafen konnte. Ich war unfähig, mich auf irgendeine Tätigkeit zu konzentrieren, und nahm in stoischer Ergebenheit die Rügen und Strafen meiner Lehrer hin. In meinem Kopf pochte ein andauernder Schmerz, und mein Magen war so zusammengekrampft, dass ich nicht im Geringsten ans Essen dachte. Ich musste mich zwingen, überhaupt etwas hinunterzuwürgen. Burrich sah sich das Trauerspiel zwei Tage lang an, bevor er kurzen Prozess machte und mir zuerst eine Wurmkur verordnete und dann ein Stärkungsmittel einflößte. Als Folge dieser Behandlung kam mir das Wenige hoch, das ich an diesem Tag gegessen hatte. Anschließend musste ich mir den Mund mit Pflaumenwein ausspülen, weshalb ich bis zum heutigen Tag keinen Pflaumenwein trinken kann, ohne dass mir übel wird. Dann zog er mich zu meinem dumpfen Erstaunen die Stiege zu seiner Kammer hinauf und befahl mir, mich für den Rest des Tages hinzulegen. Abends schleppte er mich in den Speisesaal, wo ich
unter seinen wachsamen Augen eine Schüssel dünne Suppe und ein Stück Brot vertilgen musste. Er hätte mich danach wieder mit zurück in seine Kammer genommen, doch ich beharrte darauf, in meinem eigenen Bett zu schlafen. In Wirklichkeit ging es mir nur darum, dass ich wissen musste, ob Chade wenigstens versuchte, mich zu sich zu rufen, auch wenn ich nicht bereit war, dem Ruf zu folgen. Eine weitere schlaflose Nacht hindurch starrte ich in eine dunkle Ecke meines dunklen Zimmers.
    Aber wieder kein Wort, kein Zeichen von ihm.
    Draußen wurde es bereits hell. Ich rollte mich auf die andere Seite und blieb im Bett liegen. Die Trostlosigkeit, die mich überkam, war zu mächtig, um sich dagegen aufzubäumen. Was immer mir noch zu tun übrig blieb, war nicht mehr der Mühe wert. Von Kopfschmerzen beinahe betäubt versank ich in einen unwirklichen Zustand zwischen Wachen und Träumen. Jedes Geräusch erschien mir zu laut, die Decken waren mir zu heiß und zu schwer, doch wenn ich sie abwarf, fror ich. Ich schloss die Augen, aber selbst meine Träume waren grell und beunruhigend. Ich hörte Stimmen, die so laut miteinander stritten, als wären sie bei mir im Bett, und umso entmutigender, weil es sich anhörte, als würde ein Mann mit sich selbst ins Gericht gehen und dabei abwechselnd beide Seiten vertreten. »Zerbrich ihn, wie du den anderen zerbrochen hast!«, murmelte er. »Du und deine idiotischen Prüfungen!« Und dann: »Man kann nicht vorsichtig genug sein. Leichtfertiges Vertrauen ist gefährlich. Das Blut wird sich beweisen. Stell ihn auf die Probe, mehr will ich nicht.« - »Eine Feuerprobe, meinst du wohl! Wenn du ein hirnloses Werkzeug willst, nur zu, nimm einen Hammer und schlag es dir zurecht - auf Biegen und Brechen.« Und etwas ruhiger: »Ich habe nicht das Herz dazu. Ich lasse mich nicht wieder missbrauchen. Falls
dir daran gelegen war, die Grenzen meiner Geduld auf die Probe zu stellen, so ist es dir gelungen.« Dann: »Rede mir nicht von Blut und Familie daher. Bedenke, wer ich für dich bin! Es ist

Weitere Kostenlose Bücher