Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
festsetzte. Mich fröstelte durch und durch.
    »Vermutlich nicht.« Chade schwieg, bis er nach ein paar Augenblicken zu glauben schien, dass ich mich mit der neuen Situation abgefunden hatte. »Du gehst als Diener einer älteren Edelfrau, die die Mitreisegelegenheit ergreift, um Verwandte in Guthaven zu besuchen. Allzu schwer wird die Arbeit nicht sein. Lady Quendel ist hochbetagt und nicht bei bester Gesundheit.
Sie reist in einer geschlossenen Sänfte. Du wirst neben ihr herreiten, aufpassen, dass sie nicht zu sehr durchgeschüttelt wird, ihr Wasser holen, wenn sie darum bittet, und andere kleine Besorgungen erledigen.«
    »Das scheint mir gar nicht so viel anders zu sein, als für Veritas’ Wolfshund zu sorgen.«
    Chade stutzte, dann schlich ein kurzes Lächeln über sein Gesicht.
    »Ausgezeichnet. Weshalb dich nicht auch noch damit betrauen. Mach dich auf dieser Reise unentbehrlich, dann hast du einen Freibrief, überall hinzugehen und alles zu hören, und keiner wird deine Allgegenwart befremdlich finden.«
    »Und mein wirklicher Auftrag?«
    »Augen und Ohren offen zu halten. Sowohl Listenreich als auch mir will scheinen, dass die Roten Korsaren zu gut mit unseren Plänen und Schwächen vertraut sind. Kelvar fällt es neuerdings auffällig schwer, das Geld für die Ausrüstung des Wachturms auf Ödland wirklich aufzubringen. Zweimal schon hat er ihn unbemannt gelassen, und zweimal haben die Küstendörfer des Herzogtums Shoaks für seine Nachlässigkeit bezahlt. Handelt es sich mittlerweile nicht mehr nur um Nachlässigkeit, sondern um Verrat? Ist Kelvar womöglich vom Feind gekauft worden? Wir wollen, dass du herumhorchst und versuchst, einiges herauszufinden. Sollte er unschuldig sein oder reichen die Hinweise umgekehrt auch nur für einen Verdacht, komm zurück und erstatte uns Bericht. Denn stellst du fest, dass er ein Verräter ist, dann können wir uns die Laus nicht schnell genug aus dem Pelz schaffen.«
    »Und wie?« (War das wirklich meine Stimme? So gelassen, so beherrscht?)

    »Ich habe ein Pulver vorbereitet, geschmacklos in einer Speise, farblos in Wein. Wir vertrauen auf deinen Einfallsreichtum und deine Zurückhaltung, was die Verabreichung betrifft.« Er nahm den Deckel von einem Tongefäß auf dem Tisch. Darin lag ein Päckchen aus hauchzartem Papier, dünner und feiner als alles, was Fedwren mir je gezeigt hatte. Tatsächlich war mein erster Gedanke, wie sehr mein alter Kalligraphielehrer sich gefreut hätte, mit einem Material wie diesem arbeiten zu können. Der Inhalt des Päckchens bestand aus einer weißen, puderähnlichen Substanz, die am Papier haftenblieb und in der Luft schwebte. Chade hielt sich ein Tuch vor Mund und Nase, während er eine kleine Menge in ein zusammengedrehtes Stück Ölpapier tippte. Er reichte mir das Tütchen, und ich hielt den Tod auf der flachen Hand.
    »Und wie wirkt es?«
    »Nicht sofort. Er wird nicht auf der Stelle tot umfallen, wenn du das befürchtest. Wenn er länger von seinem Becher trinkt, wird ihm übel werden. Wie ich Kelvar kenne, begibt er sich daraufhin mit seinem verdorbenen Magen ins Bett, um morgens nicht mehr zu erwachen.«
    Ich steckte das Pulver ein. »Weiß Veritas Bescheid?«
    Chade rieb sich das Kinn. »Veritas macht seinem Namen alle Ehre. Er könnte nicht mit einem Mann am Tisch sitzen, dem er Gift in den Wein getan hat, und sich dabei nichts anmerken lassen. Nein, bei diesem Unternehmen ist uns mit Heimlichkeit besser gedient als mit Wahrheit.« Er sah mir in die Augen. »Du wirst alleine arbeiten, nur auf dich selbst gestellt.«
    »Ja.« Ich rutschte unruhig auf dem hochlehnigen Stuhl herum. »Chade?«
    »Was denn?«

    »War es für dich genauso? Das erste Mal?«
    Er senkte den Blick und strich einen Moment lang über die feuerroten Narben auf dem Rücken seiner linken Hand. Das Schweigen dauerte lange, aber ich wartete.
    »Ich war ein Jahr älter als du«, meinte er schließlich. »Und es lag ganz allein an mir, die Tat auszuführen, niemand fragte, ob ich es mit meinem Gewissen vereinbaren könnte. Genügt dir das?«
    Plötzlich war ich verlegen, ohne zu wissen, warum. »Ich glaube schon.«
    »Gut. Ich weiß, du hast es nicht böse gemeint, Junge. Aber ein Mann prahlt nicht mit seinen Heldentaten auf dem Feld der Liebe, und wir Assassinen reden nicht über … unser Geschäft.«
    »Nicht einmal der Lehrer mit dem Schüler?«
    Chade sah von mir zu einem dunklen Winkel der Zimmerdecke. »Nein.« Einen Atemzug später fügte er hinzu:

Weitere Kostenlose Bücher