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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Quendel? Ist alles zu Eurer Bequemlichkeit?«, erkundigte ich mich. Keine Antwort. Vielleicht war sie schwerhörig. »Ist alles zu Eurer Bequemlichkeit?«, wiederholte ich lauter.
    »Belästige mich nicht, Junge«, schallte es mir ungnädig entgegen. »Wenn ich dich brauche, werde ich dich rufen.«
    »Ich bitte um Vergebung«, entschuldigte ich mich hastig.
    »Du sollst mich nicht belästigen, habe ich gesagt!«, krächzte
sie ungehalten. Und fügte halblaut hinzu: »Ungehobelter Bengel!«
    Danach war ich so klug, mich stillschweigend zurückzuziehen, aber meine Stimmung hatte sich eindeutig verschlechtert. Meine Hoffnung auf eine vergnügliche, unterhaltsame Reise ging flöten. Endlich hörte ich die Hörner zum Aufbruch blasen und sah, dass weit vor uns Veritas’ Banner aufgepflanzt wurde. Staub, der vom Wind zu uns hergetrieben wurde, verriet mir, dass unsere Vorhut die Reise begonnen hatte. Geraume Zeit verging aber, bis sich die Pferde vor uns in Bewegung setzten und auch Flink die Wallache mit der Sänfte zum Aufbruch antrieb. Und als auch ich mit der Zunge schnalzte, trug die eifrige Rußflocke mich neben der schwankenden Sänfte her. Das Maultier trottete ergeben hinterdrein.
    Der Tag ist mir deutlich in Erinnerung geblieben. Ich erinnere mich an die Staubwolke, die über der Reiterkolonne hing, und daran, wie Lady Quendel gegen Flink und mich losschimpfte, als wir uns unterhielten und nur einmal laut zu lachen wagten: »Aufhören mit dem Lärm!« (Nach dieser Zurechtweisung unterhielten wir uns nur noch mit gedämpfter Stimme.) Ich erinnere mich auch an einen leuchtend blauen Himmel, der sich über den Hügeln wölbte, als wir der sanft gewundenen Küstenstraße folgten. Von den Höhen hatte man einen atemberaubenden Blick auf das Meer, die Luft in den Tälern stand still und war von Blumenduft erfüllt. In dieses Idyll passten die Schafhirten, denen wir begegneten; nebeneinander standen sie auf einer Steinmauer am Rande eines Feldes, kicherten, zeigten auf uns und flüsterten sich schamhaft etwa zu. Ihre wolligen Schützlinge grasten verstreut auf den Hängen, und Flink und ich sahen, wie sie ihre bunten Röcke seitlich geschürzt trugen, so dass
die bloßen Knie und Waden der Sonne und dem Wind preisgegeben waren. Rußflocke zerrte am Zügel und zeigte mir damit deutlich ihr Missfallen über die langsame Gangart, während der arme Flink sein altes Pony ständig mit Hackenstößen anspornen musste, um nicht zurückzubleiben.
    Zweimal während des Tages machten wir Rast, um die Pferde zu tränken und damit die Reiter sich die Füße vertreten konnten. Lady Quendel kam nicht zum Vorschein, doch einmal machte sie mich in scharfem Ton darauf aufmerksam, dass ich ihr hätte Wasser bringen sollen. Ich biss mir auf die Zunge und holte ihr etwas zu trinken. Mehr Worte wurden zwischen uns nicht gewechselt.
    Das Nachtlager wurde früh aufgeschlagen, als die Sonne noch über dem Horizont stand. Flink und ich errichteten den kleinen Zeltpavillon für Lady Quendel, während sie sich in ihrer Sänfte aus einem vorsorglich mitgebrachten Picknickkorb mit kaltem Braten, Käse und Wein gütlich tat. Wir mussten uns mit einfacherer Kost begnügen, Armeerationen, bestehend aus hartem Brot, härterem Käse und Dörrfleisch. Ich hatte noch nicht aufgegessen, als Lady Quendel von mir verlangte, ihr aus der Sänfte zu helfen und sie zu ihrem Zeltpavillon zu führen. Sie kam eingewickelt und vermummt zum Vorschein, als gälte es, einem Schneesturm zu trotzen. Die einzelnen Gewänder passten weder nach Farbe noch im Schnitt zusammen, offenbar waren es Relikte aus ihren verschiedenen Lebensaltern, dennoch waren sie kostbar und hatten seinerzeit bestimmt der neuesten Mode entsprochen. Jetzt aber, als sie sich schwer auf meinen Arm stützte und neben mir her trippelte, schlug mir aus jenen Stoffmassen eine Wolke aus Staub-, Moder- und Parfumgeruch entgegen, die von einer deutlichen Beimischung von
Urin gekennzeichnet war. Am Zelteingang entließ sie mich mit der Warnung, sie hätte ein Messer und würde davon Gebrauch machen, falls es mir einfiele, sie in irgendeiner Weise zu belästigen. »Und ich verstehe gut damit umzugehen, junger Mann!«, drohte sie.
    Für uns gab es das gleiche Feldlager wie für die Soldaten: den Boden und unsere Umhänge. Wenigstens war die Nacht mild, und wir zündeten ein kleines Feuer an. Flink machte sich lustig über die unkeuschen Gelüste, die der alte Drachen mir unterstellte, und über den Dolch, mit

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