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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hatte. Ich verreiste. Und das ohne ihn. Aus keinem für ihn erkennbaren triftigen Grund. Burrich hatte lange genug in der Nähe des Königshofes gelebt, um darüber nicht sehr misstrauisch zu sein. Zum ersten Mal, seit man mich seiner Obhut übergeben hatte, verließ ich seinen Einflussbereich. Der Tod meines Vaters lag noch nicht lange zurück. Deshalb fragte er sich, auch wenn er es natürlich nicht offen auszusprechen wagte, ob ich wiederkommen würde oder ob sich jemand eine Gelegenheit verschafft hatte, um mich heimlich, still und leise beiseitezuschaffen. Ich begriff, welch ein Schlag es für seinen Stolz und sein Ansehen sein würde, wenn man mich plötzlich einfach spurlos »verschwinden« ließ. Also seufzte ich und meinte, dass man sicher nur eine zusätzliche Hand bei den Pferden und Hunden brauchte. Veritas wurde auf all seinen Wegen von seinem Wolfshund Leon begleitet. Erst vor zwei Tagen hatte er mich gelobt, weil ich so gut mit ihm umzugehen verstand. Das erzählte ich nun Burrich, und es war herzerwärmend zu beobachten, wie diese doch recht wahrscheinlich klingende Vermutung auf ihn wirkte. Zuerst zeichnete sich auf seinem Gesicht eine gewisse Erleichterung ab, danach Stolz, weil sein Schüler ihm alle Ehre machte. Und sofort wechselte das Thema von höfischen Tischmanieren zur Fütterung und Fellpflege bei Wolfshunden. Wenn die unendlichen Vorträge über Umgangsformen mich ermüdet hatten, so war die Wiederholung dieser alten Leier kaum noch zu ertragen. Als er mich entließ, weil meine anderen Lehrer schon warteten, konnte ich nicht schnell genug hinauskommen.
    Den Rest des Tages verbrachte ich in völliger Zerstreutheit,
so dass Hod mir mit dem Stock drohte, falls ich nicht aufhörte zu träumen. Dann seufzte sie resigniert und meinte, ich solle mich davonmachen und wiederkommen, wenn ich wieder bei Sinnen wäre. Ich gehorchte liebend gern. Der Gedanke, tatsächlich Bocksburg zu verlassen und eine Reise zu unternehmen, eine Reise bis nach Guthaven, verdrängte alles andere aus meinen Gedanken.
    Ich wusste, dass ich mich vielleicht doch fragen sollte, weshalb man mich dabeihaben wollte, andererseits vertraute ich darauf, bald von Chade alles Nötige zu erfahren. Ob wir den Land- oder den Seeweg nahmen? Hätte ich doch Burrich gefragt. Die Straßen nach Guthaven waren nicht die besten, hörte man, und Rußflocke und ich hatten noch nie zusammen einen so langen Ausritt unternommen. Doch eine Seereise, auf einem richtigen Schiff …
    Ich kehrte auf dem langen Weg zum Palast zurück, der sich über einen spärlich bewaldeten Berghang schlängelte. Hier krallten nur Papierbirken und ein paar Erlen ihre Wurzeln in den Boden, dazwischen wucherte gewöhnliches Buschwerk. Die Sonnenstrahlen und eine leichte Brise spielten hoch oben in den Zweigen und verliehen dem Tag eine zauberhafte, unwirkliche Atmosphäre. Ich hob den Blick hin zum Flimmern des Lichts zwischen den Birkenblättern, doch als ich den Blick wieder senkte, stand plötzlich des Königs Narr vor mir.
    Völlig verdutzt blieb ich stehen und hielt unwillkürlich nach dem König Ausschau, obwohl es lächerlich war, ihn hier zu erwarten. Tatsächlich, der Narr war allein. Und im Freien, am hellichten Tag! Mich überlief eine Gänsehaut. Jeder in der Burg wusste, dass der Narr des Königs ein Geschöpf der Dämmerung war, jeder. Dennoch, trotz allem, was Pagen und Küchenmägde
sich zuflüsterten, dort stand der Narr, und sein bauschiges helles Haar bewegte sich im lauen Wind. Die blaue und rote Seide seines kunterbunten Kostüms stach grell von seiner bleichen Haut ab. Doch seine Augen waren längst nicht so farblos, wie sie in den halbdunklen Korridoren der Burg wirkten. So wie ich nun mit nur wenigen Schritten Entfernung ihrem unverwandten Blick ausgesetzt war, entdeckte ich in ihnen einen bläulichen Schimmer, als wäre ein einzelner Tropfen himmelblaues Wachs auf einen weißen Servierteller gefallen. Auch die Blässe seiner Haut war nicht vollkommen, denn hier im flimmernden Sonnenlicht wirkte sie durchscheinend rosig. Blut, kam es mir mit plötzlichem Ekel zu Bewusstsein. Rotes Blut, das in der Tiefe pulsierte.
    Der Narr reckte einen Finger in die Luft, als wollte er nicht nur dem Lauf meiner Gedanken Einhalt gebieten, sondern alles um uns herum zum Stillstand mahnen. Doch nichts auf der Welt hätte meine Aufmerksamkeit jetzt noch von ihm abgelenkt, und sobald er sich dessen gewiss war, zeigte er unschuldig lächelnd kleine, weiße,

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