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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Zim mer
umher und stellte einige der Kerzen auf die Regale. Ihre Weigerung, mehr zu sagen, wirkte fast herausfordernd.
    Ich trat weiter in den Raum hi nein. Sie und Rosemarie waren allein. Veritas hatte sich ein mal bei mir be klagt, ihre Ge mächer wären so akkurat wie ein Mi litärlager. Er hatte nicht übertrieben. Die Einrichtung war schlicht und sparsam, es fehlten die für Bocksburg charakteristischen Tapisserien und Teppiche. Auf dem Boden lagen einfache Strohmatten, holzgerahmte Pergamentwandschirme waren mit zarten Blumen und Bäumen bemalt. Nichts stand oder lag he rum. In die sem Raum war alles hergerichtet, weggeräumt oder noch gar nicht begonnen. Nur so kann ich die Stille beschreiben, die ich dort empfand.
    Beim Hereinkommen hatte ich mich in einem Aufruhr widerstreitender Gefühle befunden. Jetzt aber wurde ich ruhig, so dass ich regelmäßig ein- und ausatmetete und mein Herz ganz gleichmäßig schlug. Eine Ecke des Raums hatte man mit Hilfe der Wandschirme in einen Alkoven verwandelt, ausgestattet mit einem grünen Webteppich und niedrigen, gepolsterten Bänken, wie ich sie in den Bergen gesehen hatte. Kettricken stellte die grüne Kerze hinter einen der Schirme und entzündete sie mit einem brennenden Span vom Ka min. Die tanzende Flamme verlieh der gemalten Szenerie auf dem Pergament das Leben und die Wärme eines Sonnenaufgangs. Kettricken nahm auf einer der Bänke Platz und lud mich mit ei ner Handbewegung ein, ih rem Beispiel zu folgen. »Willst du mir Gesellschaft leisten?«
    Ich setzte mich ihr gegenüber hin. Der sanft erleuchtete Schirm, die Illusion eines kleinen, abgetrennten Raums und der süße Duft von Myricawachs umgaben mich. Die niedrige Bank war eigenartig bequem. Ich brauchte einen Moment, um mich an den Zweck meines Besuchs zu erinnern. »Hoheit, ich dachte, Ihr möchtet vielleicht einige von den Glücksspielen lernen, denen man hier
in Bocksburg frönt. Da mit Ihr Euch nicht ausgeschlossen fühlt, wenn die anderen sich vergnügen.«
    »Vielleicht ein andermal«, sagte sie freundlich. »Wenn uns der Sinn danach steht und sofern es dir wirklich Freude macht, mich das Spiel zu lehren. Aber nur aus diesen Gründen. Ich habe erkannt, dass die alten Sprichwörter wahr sind. Man kann sich nur so weit von seinem wahren Selbst entfernen, bis das Band entweder zerreißt oder man zu rückgezogen wird. Ich schätze mich glücklich - ich bin zu rückgezogen worden. Ich habe mich wiedergefunden, FitzChivalric. Das ist es, was du heute fühlst.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Sie lächelte. »Das ist auch nicht nötig.«
    Danach schwieg sie wieder. Rosemarie hatte sich vor den Kamin gesetzt und Tafel und Kreide zur Hand genommen. Selbst dieses sonst lebhafte Kind vermittelte heute ei nen Eindruck ruhiger Gelassenheit. Ich wandte mich wieder Kettricken zu und wartete, aber sie sah mich nur nachdenklich an, wobei sie ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen hatte.
    Endlich fragte ich: »Was tun wir?«
    »Nichts«, antwortete Kettricken.
    Ich hing ebenfalls stumm meinen Gedanken nach. Nach geraumer Zeit bemerkte sie: »Unser Ehrgeiz, die Ziele, die wir uns setzen, die Vorstellungen, die wir der Welt aufzuzwingen versuchen, das alles ist nicht mehr als der Schatten eines Baumes auf dem Schnee. Dieser Schatten wandert mit der Sonne, vergeht in der Nacht, schwankt mit dem Wind, und wenn der Schnee dann schmilzt, zeigt er dem unebenen Boden nur seine verzerrten Umrisse. Der Baum dagegen steht da wie im mer. Verstehst du das?« Sie beugte sich etwas vor, um mir ins Gesicht zu sehen. Ihre Augen wirkten gütig.
    »Ich glaube schon«, meinte ich unbehaglich.

    Sie warf mir einen fast mitleidigen Blick zu. »Du würdest verstehen, wenn du aufhören würdest, mit dem Kopf begreifen zu wollen, wenn du nicht länger darüber nachdächtest, weshalb es mir wichtig ist, und es einfach nur als Idee betrachten könntest, die auch für dein eigenes Leben von Wert ist. Aber ich verlange nicht von dir, das zu tun. Ich verlange hier von niemandem irgendetwas.«
    Sie lehnte sich wieder zurück und entspannte sich unmerklich, so dass ihre aufrechte Haltung unangestrengt und ge löst wirkte. Wieder tat sie gar nichts, saß mir nur gegenüber und erfüllte den Raum mit ihrer ganzen Ausstrahlung. Ich fühlte mich förmlich von ihrer Lebenskraft berührt und eingehüllt. Es war nur der Hauch einer Berührung, und ohne mei ne Erfahrung mit der Gabe und der Macht hätte ich sie wahrscheinlich nicht gespürt. So behutsam tastend,

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