Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Ich weigerte mich allerdings, den Blick zu heben, um zu sehen, wer sich da auf meine Kosten amüsierte.
Der Narr spitzte die Lippen zu einem Kuss und fuhr mit vertraulich gesenkter Stimme fort:
»Will seine Wege das Schicksal dich zwingen?
Mit allen Gaben musst du dagegen ringen!
Auf! Nach Helfern im Streit die alten Schriften befragt,
Lerne, was du dir zu lernen versagt;
Noch liegt es bei dir, die Zukunft zu prägen,
Du kannst Gestalt und Gesicht ihr noch geben;
Brauchst du die Macht gegen die dunklen Gewalten,
Wirst du den Deinen die Heimat erhalten.
So bitt’ ich zu deinem und unserem Frommen,
Lass nicht die Dunkelheit über uns kommen.
Behüte unser Wohl und Leben,
Die wir in deine Hand gegeben.«
Nach einer wohlbemessenen Kunstpause sang er laut und lustig die letzte Strophe:
»Und sollt’s dich eitles Schwatzen deuchen,
Wie Fürze, die dem Arsch entfleuchen,
Will ich doch zur Reverenz mich bücken,
Was kaum ein Auge sah, soll deins entzücken!«
Und damit schlug er behände einen Purzelbaum, der kunstreich damit endete, dass er mir seine nackten Hinterbacken präsentierte. Sie waren erschreckend weiß, und ich vermochte weder meine Verblüffung noch mei ne Gekränktheit zu verhehlen. Der Narr sprang auf die Füße, wieder dem Anstand gemäß bedeckt, und Rätzel auf seinem Zepter verbeugte sich artig vor allen, die stehengeblieben waren, um das Publikum für meine Demütigung zu sein. Es wurde gelacht und Beifall geklatscht.
Mir hatten seine Possen die Sprache verschlagen. So würdevoll
wie möglich wollte ich an ihm vorbeigehen, doch mit ei nem Satz sprang er mir wieder in den Weg, richtete sich gebieterisch auf und wandte sich an alle, die immer noch grinsten.
»Ein Pfui auf euch, dass ihr so lus tig seid! Über ei nes Knaben Herzeleid zu spotten! Wisst ihr nicht, dass Fitz einen schweren Verlust erlitten hat? Oh, er verbirgt den Gram hinter seiner Schamesröte, doch sie ist ins Grab gesunken und ließ seine Leidenschaft ungestillt. Diese unerbittlich keusche und lebensbedrohlich flatulente Maid, unsere verehrte Lady Quendel, ist verschieden. Dahingerafft von ihrem eigenen Gestank, möcht’ ich wetten, auch wenn manche sagen, es lag an verdorbenem Fleisch. Doch verdorbenes Fleisch, weiß man, besitzt einen äußerst strengen Duft, um vom Verzehr abzuschrecken. Dasselbe konnte man auch von Lady Quendel behaupten, und des halb hat sie es vielleicht nicht gerochen oder hielt es für den Duft ih rer eigenen Finger. Wehklage nicht, armer Fitz, man wird ein an deres Liebchen für dich finden. Dieser Aufgabe will von diesem Tage an ich mich wei hen. Ich schwöre es, bei Meis ter Rätzels Kopf. Und nun bitte ich euch, kehrt zu euren Pflichten zurück, denn wahrhaftig habe ich meine zu lange versäumt. Leb wohl, armer Fitz. Tap feres, trauriges Herz! So gefasst deinen Verlust zu tragen und der Welt ein heiteres Gesicht zu zeigen. Ach Fitz, armer, armer Fitz …«
Und der Narr wanderte den Gang hinunter, schüttelte voller Kümmernis den Kopf und be ratschlagte mit Rätzel, um wel che begüterte Witwe von Stand er in mei nem Namen anhalten sollte. Ich starrte ihm hinterher und konnte immer noch nicht glauben, dass er mich so bloßgestellt hatte. Er war scharfzüngig und flatterhaft, doch ich hatte nie damit gerechnet, einmal die öffentliche Zielscheibe eines seiner derben Späße zu sein. Ich wartete darauf, dass er sich umdrehte und noch etwas sagte, das mir erklärte, was gerade geschehen war. Aber nein. Als er um die Ecke bog, begriff
ich, dass mein Martyrium zu Ende war. Auch ich setzte meinen Weg fort. Einerseits kochte ich vor Zorn und Scham, andererseits war ich verwirrt. Seine Stegreifverse waren mir im Gedächtnis haften geblieben, und ich wusste, ich würde keine Ruhe fin den, bis ich ihre tiefere Bedeutung enträtselt hatte. Aber Lady Quendel? Bestimmt hatte er sich die Geschichte nicht einfach aus den Fingern gesogen. Aber was konnte Chade veranlasst haben, sein populäres Alter Ego auf diese Weise abtreten zu lassen? Den Leichnam welcher armen Frau würde man als Lady Quen del hinaustragen, um sie zu weit entfernt lebenden Verwandten zu überführen, wo sie begraben werden sollte? Wollte er auf diese Art sei ne Reise antreten und sich so ungesehen aus der Burg schmuggeln? Stellte sich erneut die Frage, weshalb er sie sterben lassen musste? Damit Edel glaubte, sein Giftanschlag sei erfolgreich gewesen? Aber zu welchem Zweck?
Vor Kettrickens Tür angekommen, wartete ich einen Moment, um
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