Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
liches Grauen entgegen. Während ich mein Bewusstsein davor verschloss, warf ich Rußflocke herum und trieb sie in die Richtung der Ge fahr. Eng an ih ren Hals geschmiegt, spornte ich sie an durch das Labyrinth der Baumstämme, Schneeverwehungen und herabgefallenen Äste. Dann ging es eine Steigung hinauf - langsamer, als ich es mir aus mei ner plötzlichen Sorge und Verzweiflung heraus wünschte. Auf dem Hügel angelangt zügelte ich Rußflocke und schaute hinunter auf eine Szene, die ich niemals werde vergessen können.
Dort waren drei zerlumpte, bärtige und stinkende Männer, die um etwas in Streit geraten waren. Sie knurrten und blafften sich an. Mit meiner Gabe konnte ich sie nicht wahrnehmen, doch ich erkannte in ihnen die Entfremdeten, die Nachtauge mir eine Nacht zuvor gezeigt hatte. Sie kämpften um ein kleines Mädchen, das vielleicht gerade einmal drei Jahre alt war und einen leuchtend gelben Kittel trug, der von den liebevollen Händen einer Mutter genäht worden war. Die Bestien zerrten an ihr, als wäre sie nur ein
in der Schlinge gefangenes Kaninchen, und gaben keine Rücksicht auf den kleinen Rest von Leben, das noch in ihr flackerte. Ich brüllte meine ganze Wut hi naus und zog das Schwert, ge rade als der heftige Ruck eines der Entfremdeten ihr das zarte Genick brach und der letzte Lebensfunke erlosch. Auf mein Gebrüll hin hob ei ner der Män ner den Kopf und drehte sich zu mir he rum. Sein Bart war rot von Blut. Er hatte nicht erst ihren Tod abgewartet, bevor er mit seiner Mahlzeit begann.
Ich stieß Rußflocke die Hacken in die Flanken und stürmte auf die Entfremdeten los wie ein Racheengel. Aus dem Wald zur Linken preschte Nachtauge hervor. Er war vor mir bei ihnen, sprang auf den Rü cken des ei nen und schlug ihm die Zähne in den Nacken. Dann hatte ich die Gruppe erreicht. Der Mann mit dem blutverschmierten Bart hob in ei ner Geste der Abwehr die Hand, aber mein neu es Schwert schlug ihm halb den Kopf von den Schultern, bevor es ihm in der Wirbelsäule steckenblieb. Dann zog ich mein Messer und warf mich vom Sattel auf den Mann, der sich mit dem Dolch gegen Nachtauge zur Wehr setzte. Doch währenddessen griff sich der dritte Entfremdete das Kind und flüchtete damit in den Wald.
Sein Kumpan kämpfte wie ein wütender Bär, selbst nachdem mein Messer ihm den Bauch aufgeschlitzt hatte. Die Eingeweide quollen über seinen Gürtel, und dennoch stolperte er hinter uns her. Ich hatte nicht einmal Zeit, das Grauen zu vergegenwärtigen, das ich empfand. Er war dem Tod geweiht, deshalb überließ ich ihn ganz seinem Schicksal, und wir nahmen die Verfolgung des flüchtenden Entfremdeten auf. Nachtauge schnellte wie ein schlanker grauer Schatten in weiten Sätzen den flachen Hang hinauf, und ich verfluchte meine zwei schwerfälligen Menschenbeine, die mich nicht schneller tragen wollten. Die Fährte von zertrampeltem Schnee, Blut und dem fauligen Gestank der Kreatur war deutlich.
Doch mein Verstand spielte mir Streiche. Ich schwöre, noch als ich mich keuchend diesen Hang hinaufquälte, bildete ich mir fest ein, ich könnte noch rechtzeitig kommen, um das Leben des kleinen Mädchens zurückzuholen und ihren Tod ungeschehen zu machen. Geradeso, als hätte das Furchtbare nicht stattgefunden. Ein unsinniger Impuls, der mir jedoch frische Kräfte verlieh.
Der Entfremdete hatte eine falsche Spur gelegt und lauerte uns nun auf. Völlig überraschend kam er hinter einem großen Baumstumpf hervorgesprungen, schleuderte Nachtauge den Leich nam des Mädchens entgegen und sprang mich an. Er war groß und hatte Muskeln wie ein Schmied, weshalb nicht weiter verwunderlich war, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen Entfremdeten wohlgenährt aussah und warme Kleidung trug.
Ich versuchte ihm auszuweichen, doch schon hob er mich von hinten mit sei nem knorrigen Unterarm an mei ner Kehle hoch, so dass wir stürzten. Sein erbarmungsloser Würgegriff drückte mir die Luft ab, und weil ich unter seinem massigen Körper begraben war, konnte ich mich nicht mehr rüh ren. Mein linker Arm war unter meinem Brustkorb eingeklemmt, aber in meiner rechten Hand hielt ich das Messer, stieß damit nach hinten und traf ein-, zweimal in seine fleischigen Schenkel. Er heulte zornig auf und verstärkte mit seinem Arm weiter den Druck um meinen Hals, während er mein Gesicht gleichzeitig auf die gefrorene Erde presste. Schwarze Punkte tanzten mir vor den Augen. Da war plötzlich Nachtauge eine zusätzliche Last auf mei nem
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