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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gegenseitiges Sich-an-den-Händen-Halten. Ich fragte mich, ob meine Kraft auf Dauer ausreichen würde.
    Denk nicht darüber nach, tu es einfach. Selbst Atmen wird zu einer Anstrengung, wenn man das Ein und Aus von jedem Atemzug verfolgt. Ich blinzelte und merkte plötzlich, dass er sich mitt lerweile in seinem Arbeitszimmer befand und seine üblichen Morgentätigkeiten verrichtete. Charim kam mit einem Anliegen, und ich vernahm ihr Ge spräch wie das ent fernte Summen eines Bienenschwarms.
    Von Nachtauge war nichts zu sehen. Ich bemühte mich, weder an ihn zu denken, noch nach ihm auszuschauen, eine anstrengende mentale Verleugnung, mindestens ebenso kräftezehrend, wie Ve ritas’ Bewusstsein an mich gebunden zu halten. Wie schnell es mir doch zur zweiten Natur geworden war, nach mei nem Wolf zu spüren und ihn ansprechbar zu finden, so dass ich mich jetzt so verlassen fühlte und so unsicher, als fehlte mir das vertraute Messer am Gürtel. Nur Molly besaß die Macht, ihn völlig aus meinen Gedanken zu verdrängen, aber auch das bot mir kei nen Trost. Veritas hatte mich für mein Verhalten in der vergangenen Nacht zwar nicht getadelt, doch ich wusste, er betrachtete es als nicht sehr eh renhaft, und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich ihm beipflichten würde, wenn ich mir die Zeit nähme, in Ruhe darüber nachzudenken. Da ich mich einer solchen Erkenntnis zurzeit nicht gewachsen fühlte, ließ ich mei ne Gedanken auch um die ses Thema einen Bogen machen.
    Ganz offenbar verwendete ich unverhältnismäßig viel geistige Anstrengung darauf, an möglichst wenig zu denken. Ich schüttelte energisch den Kopf und richtete meinen Blick in den Tag. Der Weg, dem ich folgte, wurde nur wenig benutzt. Er schlängelte sich durch das hügelige Hinterland, und die häufigsten Reisenden waren
Ziegen und Schafe. Es war ein Gebiet kleiner, weit verstreuter Gehöfte, das von einfachen Landleuten bewohnt war.
    Der Weg wurde schmaler und führte wie durch ei nen Tunnel in das grüne Zwielicht der ma jestätisch aufragenden Tannen. Zwischen ihren säulengleichen Stämmen lag der Schnee in unregelmäßigen Mengen verteilt auf dem Nadelteppich, der größte Teil der winterlichen Pracht ruhte allerdings auf den ausladenden Ästen und Zweigen. Es gab kaum Unterholz, was mir eine gute Gelegenheit bot, um vom Weg abzubiegen und in die verwunschene Düsternis unter dem schneebeladenen Baldachin vorzudringen. Rußflockes Hufschlag fiel dumpf in diese feierliche Stille.
    Du scheinst zu wissen, wo die Entfremdeten sich aufhalten. Habe ich Recht?
    Sie wurden am Ufer eines bestimmten Bachs gesehen, bei dem Kadaver eines verendeten Reh bocks. Ich dachte mir, wir könnten von dort aus ihre Fährte aufnehmen.
    Wer hat sie gesehen?
    Ich zögerte. Ein Freund. Er hat eine Scheu vor Menschen, doch mir ist es gelungen, sein Vertrauen zu erwerben, und manchmal, wenn er etwas Ungewöhnliches entdeckt, kommt er zu mir und berichtet mir davon.
    Hm. Ich konnte Veritas’ Vorbehalte deutlich spüren, als er mei ne sehr zurückhaltende Erklärung überdachte. Nun gut, belassen wir es dabei. Manche Geheimnisse haben ihre Berechtigung. Ich erinnere mich an ein kleines, einfältiges Mädchen, das oft zu Füßen meiner Mutter zu sitzen pflegte. Meine Mutter sorgte dafür, dass sie Klei dung und zu essen bekam, und schenkte ihr Spielzeug und Süßigkeiten. Niemand hat die Kleine weiter beachtet. Doch eines Tages kam ich unerwartet herein und hörte, wie sie meiner Mutter von einem Mann im Wirtshaus erzählte, der hübsche Halsketten und Armbänder zum Kauf angeboten habe. Wenige Tage danach verhaftete des Königs Garde Rife, den Straßenräuber
- in eben diesem Wirtshaus. Stille und unaufällige Menschen wissen oft sehr viel.
    Das stimmt.
    In freundschaftlichem Schweigen ritten wir weiter. Gelegentlich musste ich mich daran erinnern, dass Veritas nicht körperlich anwesend war. Aber ich fange an zu wünschen, ich wäre es. Es ist zu lange her, dass ich zu Pferd und einfach nur aus Freude am Reiten durch die Hügel gestreift bin. Mein Leben ist begraben unter einem Berg von Pflichterfüllung. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas nur zum Spaß getan habe.
    Ich nickte zu seinen Gedanken, als ein Schrei die Stille des Waldes zerriss. Es war eine junge Stimme, die mitten im Schrei abbrach, und bevor ich mich zu be herrschen vermochte, spürte ich danach. Von Nachtauge fluteten mir verständnisloses Entsetzen, Todesangst und plötz

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