Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Rücken, und ich befürchtete schon, mei ne Wirbelsäule knacken zu hö ren. Die Reißzähne des Wolfs schlugen wild in den Rücken des Mannes, aber der Entfremdete drückte nur entschieden das Kinn an die Brust und spannte sich an, indem er abwehrend die Schultern hochzog. Er wusste, dass es mit mir es bald aus sein würde, und dann hatte er Zeit genug, sich mit dem Tier zu befassen.
Wie zu erwarten war, brach bei dem Ringen die Wunde an meinem Hals auf und begann zu bluten. Doch der zusätzliche Schmerz weckte noch einmal meinen ganzen Lebenswillen. Ich schüttelte wild den Kopf, und weil das Blut wie ein Schmiermittel wirkte, gelang es mir, ein klein wenig den Hals wegzudrehen. Einmal konnte ich röchelnd Luft holen, bevor der Koloss den Druck seines Arm wieder verstärkte und mir langsam den Kopf nach hinten bog. Vielleicht wollte er allem ein schnelles Ende machen und mir das Genick brechen. Stark genug war er dazu.
Nachtauge änderte seine Taktik. Er brachte die Kiefer zwar nicht weit genug auseinander, um den Kopf des Mannes ins Maul zu nehmen, aber seine immer wieder zupackenden Zähne fanden an der Kopfhaut Halt und rissen sie auf. Worauf es Blut auf mich herabregnete, während der Entf remdete aufbrüllte und mit einer Hand nach seinem Peiniger schlug. Das war meine letzte Chance. Ich bäumte mich auf und wand mich wie ein Aal, bis ich mich weit genug aus seiner Umklammerung gelöst hatte, um ihm das Knie zwischen die Beine zu rammen. Gleichzeitig stieß ich ihm das Messer in die Seite. Der Schmerz muss unvorstellbar gewesen sein, trotzdem ließ er mich nicht los, sondern schlug mir krachend die Stirn ins Gesicht, so dass mir schwarz vor Augen wurde, und gleich darauf schlang er seine gewaltigen Arme um meinen Oberkörper und schickte sich an, mir die Rippen zu zerquetschen.
An die weiteren Geschehnisse habe ich keine deutliche Erinnerung mehr. Vielleicht kam jene blindwütige, todbringende Raserei über mich, von der manche Sagen berichten. Ich setzte mich mit Zähnen und Klauen und mit meinem Messer zur Wehr, verbiss und verkrallte mich in sein Fleisch und stieß meine Klinge in seinen Leib, wann immer ich eine Blöße entdeckte. Dennoch, ich wäre ihm unterlegen gewesen, hätte Nachtauge ihn nicht mit
der gleichen tobsüchtigen Wut attackiert. Viele Momente später kroch ich unter einem Toten hervor.
Alles in Ordnung? Nachtauge lag ein Stück von mir entfernt auf dem Boden und at mete hechelnd. Seine Schnauze war blutverschmiert, was wahrscheinlich auch für mein Gesicht zutraf. Ich stand auf und ging ein, zwei Schritte auf ihn zu. Dann sah ich das Kind und sank neben dem Leichnam auf die Knie. Wohl erst in diesem Moment begriff ich, dass es von Anfang an zu spät gewesen war.
Sie war so win zig. Sie hat te glattes, schwarzes Haar und dunk le Augen, ihr zarter Körper lag noch lebenswarm und schlaff da. Ich nahm sie auf den Schoß und strich ihr das Haar aus der Stirn. Es offenbarten sich ein rundes Gesicht und eben mäßige Zähnchen. Sie hatte Pausbacken. Der Tod hatte noch nicht sei nen Schleier über ihre Augen gebreitet, denn sie blickten noch verwundert auf ein Rätsel jenseits allen Begreifens. An ihren kleinen, molligen Händen trocknete in Strei fen das Blut, das aus den Bisswunden an ih ren Armen heruntergeflossen war. Ein hilfloses Kind - so schwach und so angewiesen auf Fürsorge und Schutz. Schuldlos Opfer roher Brutalität. Ich neigte das Gesicht über ihr weiches Haar und weinte. Das Schluchzen schüttelte meinen Körper, und ich konnte nichts dagegen tun. Nachtauge schnüffelte an mei ner Wange und winselte. Er scharrte mit der Pfote an mei ner Schulter, und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich ihn von mir ausgeschlossen hatte. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, um ihn zu beruhigen, doch es war mir unmöglich, ihn oder sonst etwas in mein Bewusstsein einzulassen. Er winselte erneut, und endlich hörte ich Hufschläge. Nachtauge leckte mir noch ein letztes Mal tröstend über die Wange, dann verschwand er zwischen den Bäumen.
Ich erhob mich taumelnd, das Kind an die Brust gedrückt. Sie
kamen über den Hügel, Veritas auf seinem Rappen, dahinter Burrich, Blade und ein halbes Dutzend weitere Reiter. Zu meiner Bestürzung sah ich hinter Blade eine fremde Frau sitzen, die einfach gekleidet war. Bei meinem Anblick stieß sie einen lauten Schrei aus, glitt blitzschnell zu Boden, kam auf mich zugelaufen und hatte die Hände nach dem Kind ausgestreckt. Ihr vor Hoffnung und Freude
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