Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
trotz meiner starken Gabe den Halt nicht wiederfinden. Ich wusste, du warst in Gefahr, und brach sofort auf, um dich zu suchen. Es tut mir leid, dass ich nicht früher gekommen bin.«
Ich wollte es, ich wollte mich öffnen und Veritas alles anvertrauen. Doch es wäre mög licherweise zu vieles dabei zur Sprache gekommen, was besser unerwähnt blieb. Die Geheimnisse eines Prinzen zu kennen, das gibt einem nicht das Recht, leichtfertig damit hausieren zu gehen. Ich schaute zu Burrich, der angelegentlich das Mauerwerk studierte. In förmlichen Ton sagte ich: »Vielen Dank, mein Prinz. Ich bin sicher, Ihr seid so schnell gekommen wie möglich, und auch ein früheres Eingreifen wäre für die Kleine
zu spät gewesen. Sie starb fast in demselben Augenblick, als ich sie zu Gesicht bekam.«
Veritas senkte den Blick auf sei ne Hände. »Das wusste ich. Wusste es besser als du. Mei ne Sorge galt dir.« Er hob den Kopf und versuchte ein Lächeln. »Das hervorstechendste Merkmal an deiner Art und Weise zu kämp fen, das ist dei ne Fähigkeit, trotzdem am Leben zu bleiben.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Burrich von einem Fuß auf den anderen trat, den Mund öffnete und wieder schloss. Eiseskälte erfasste mich. Er hatte die Leichen der Entfremdeten gesehen - und die Spu ren. Er wusste, ich hatte nicht allein gegen sie gekämpft. Nahmen die schrecklichen Ereignisse dieses Tages kein Ende? Dass Bur rich bisher geschwiegen hatte, konnte nur bedeuten, dass er auf einen späteren Zeitpunkt wartete, wenn wir alleine waren.
»FitzChivalric?« Veritas hatte gemerkt, dass meine Gedanken abgeirrt waren.
Ich zuckte zusammen. »Vergebt mir, Hoheit.«
Er lachte und prustete fast dabei. »Lass das ›Hoheit‹ beiseite. In unserem kleinen Kreis erwarte ich keine höfische Etikette von dir, und Burrich ebensowenig. Er und ich kennen einander gut genug, er titulierte in Situationen wie die ser auch mei nen Bruder nicht ›Hoheit‹. Bedenke, dass er des Königs Aufseher für Chivalric war. Chivalric bediente sich seiner Kraft und nicht immer gerade sanft. Ich bin si cher, Burrich weiß, dass ich dich in glei cher Weise als Kraftquelle benutzt habe. Und er weiß auch, dass ich heute bei dir war und mit dir ge ritten bin, zumindest bis auf jenen Hügelkamm.«
Ich schaute zu Burrich, der langsam nickte. Weder er noch ich ahnten, weshalb er bei dieser Unterredung dabei war.
»Ich wurde erst aus deinem Bewusstsein hinausgedrängt, als
diese blinde Wut dich packte. Wenn ich dei ne Fähigkeiten nutzen will, wie ich es vorhabe, darf das nicht wieder geschehen.« Nachdenklich trommelte Veritas mit den Fingerspitzen auf seine Oberschenkel. »Mir fällt nur eine Lösung ein. Du musst lernen, überlegt zu kämpfen. Was meinst du, Burrich? Chivalric hat mir einmal erzählt, in der Bedrängnis kämst du besser mit einer Axt zu recht als mit dem Schwert.«
Burrichs Miene verriet seine Überraschung. Offensichtlich hatte er nicht erwartet, dass Veritas von dieser Sache wusste. Erneut nickte er bedächtig. »Er pflegte sich deswegen über mich lustig zu machen. Sagte, es wäre das Werkzeug eines Raufbolds und nicht die Waffe eines Edelmanns.«
Veritas gestattete sich ein leichtes Lächeln. »Du bist demnach bestens geeignet für unseren Fitz. Du wirst ihm beibringen, damit umzugehen, denn ich glaube nicht, dass Hod da rin Unterricht erteilt, was nicht heißen soll, dass sie es nicht könnte, wenn ich sie darum bäte. Doch ich lege es in dei ne Hände, weil ich möchte, dass Fitz sich gleichzeitig darin übt, mich in sei nem Bewusstsein zu halten. Wenn wir diese beiden Lektionen miteinander verbinden, lernt er vielleicht, über dem ei nen nicht das andere zu vergessen. Und mit dir als Leh rer wird er nicht dadurch abgelenkt, dass er darauf achten muss, mei ne Anwesenheit geheimzuhalten. Willst du diese Aufgabe übernehmen?«
Burrich vermochte sein Un behagen nicht zu verbergen. »Ja, das kann ich, Hoheit.«
»Dann ist dies abgemacht. Fangt morgen an. Je früher umso besser. Ich weiß, du hast andere Pflichten und nur wenige Stunden zur eigenen Verfügung. Zögere also nicht, einen Teil deiner Aufgaben Flink zu übertragen. Er scheint mir ein tüchtiger Bursche zu sein.«
»Das ist er«, stimmte Burrich zu. Er war wachsam geworden. Es
schien ihm nicht zu behagen, wie gut Veritas über ihn Bescheid wusste und über die Vorgänge in den Stallungen, die Burrich als sein Hoheitsgebiet betrachtete.
»Gut.« Ve ritas lehnte sich zurück und musterte
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