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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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glänzendes Gesicht war mir unerträglich. Für einen Sekundenbruchteil begegnete ich ihrem Blick und ich sah, wie sie langsam begriff und wie das Begreifen dann ihre Züge verzerrte. Sie riss mir das kleine Mädchen aus den Armen, stützte das baumelnde Köpfchen, warf einen Blick in das wächserne Gesicht des Kin des und begann zu schreien. Die Ungeheuerlichkeit ihres Schmerzes brach über mich herein wie eine Sturmflut und zog mich mit ihr in die Tiefe. Das Schreien hörte nicht auf.
    Noch Stunden später, als ich mich schon in Veritas’ Arbeitszimmer befand, konnte ich es hören. Es vibrierte in mir wie ein krampfartiges Beben, das mich in langen Wellen überlief. Ich saß nackt bis zur Taille auf einem Stuhl vor dem Kamin. Der Medikus schürte das Feuer, während hinter mir ein starrer und schweigsamer Burrich Tannennadeln und Erde aus der tiefen Wunde an meinem Hals wusch. »Das hier und das sind keine frischen Wunden«, bemerkte er einmal unfreundlich und zeigte auf andere Verletzungen an meinem Arm. Ich sagte nichts. Mir war, als versagten mir die Worte. Neben Burrich schwammen in einem Becken mit heißem Wasser getrocknete Irisblüten, die sich langsam neben Blättern des Heidegagelstrauchs entrollten. Er machte darin ein Tuch nass und wischte über die blutunterlaufenen Stellen an meinem Hals. »Der Schmied hatte große Hände«, meinte er.
    »Du hast ihn gekannt?« Der Medikus schaute Burrich an.
    »Ich habe nie mit ihm gesprochen, sondern ihn nur ein- oder
zweimal beim Frühlingsfest gesehen, wenn auch die Leute von außerhalb mit ihren Waren in die Stadt kommen. Er bot silberne Beschläge und Schnallen für Zaumzeug feil.«
    Wieder Schweigen. Burrich fuhr fort mit mei ner Pflege. Das Blut, welches das Wasser färbte, stammte nur zum Teil von mir. Abgesehen von zahlreichen blauen Flecken und Prellungen war ich mit Kratzern, Abschürfungen und einer großen Beule an der Stirn davongekommen. Irgendwie erfüllte mich diese Tatsache mit Scham. Das kleine Mädchen war tot - ich hätte wenigstens verwundet sein sollen. In mei nem benommenen Zustand erschien mir dieser Gedankengang vollkommen logisch.
    Ich sah zu, wie Burrich meinen Arm verband. Der Medikus brachte einen Becher Tee, den Bur rich nahm, um erst prü fend daran zu riechen, bevor er ihn an mich weitergab. »Ich hätte weniger Baldrian genommen«, lautete sein Kommentar. Der Medikus trat zurück und setzte sich neben den Kamin.
    Charim kam mit einem beladenen Tablett herein. Er räumte einen kleinen Tisch frei und stellte die Speisen zurecht. Unmittelbar nach ihm trat Ve ritas ins Zim mer, nahm den Um hang ab und warf ihn über die Stuhllehne. »Ich habe ih ren Mann auf dem Markt gefunden«, sagte er. »Er ist jetzt bei ihr. Das Kind hat te auf der Türschwelle gespielt, während sie unten am Bach war, um Wasser zu holen. Als sie wiederkam, war die Klei ne verschwunden.« Ich spürte seinen Blick, aber ich konnte ihn nicht erwidern. »Wir fanden die Frau, wie sie durch den Wald irrte und nach dem kleinen Mädchen rief. Ich wusste …« Er verstummte und nickte dem Medikus zu. »Vie len Dank, Dem. Wenn du mit FitzChivalric fertig bist, kannst du gehen.«
    »Ich hatte noch nicht einmal Gelegenheit....«
    »Unnötig.« Burrich hielt stirnrunzelnd das Ende eines Verbandstreifens in der Hand, den er quer über meine Brust geführt
hatte, unter dem rechten Arm hindurch und wieder zurück, um das Stoffpolster auf der Bisswunde zu befestigen. Es war vergebliche Mühe. Sie befand sich genau auf dem Muskel zwischen der Schulterspitze und dem Hals. Ich versuchte, mich über den vernichtenden Blick zu amüsieren, mit dem der Medikus Burrich bedachte, bevor er hinausging. Burrich nahm ihn überhaupt nicht zur Kenntnis.
    Veritas zog sich einen Sessel heran und nahm mir gegenüber Platz. Ich wollte den Becher an die Lippen heben, doch Burrich nahm ihn mir aus der Hand. »Nach eurem Gespräch. Da drin ist genug Baldrian, um dich wie mit ei nem Keulenschlag außer Gefecht zu setzen.« Ich sah zu, wie er mit dem Becher zum Kamin ging, die Hälfte von dem Tee ausschüttete und den Rest mit heißem Wasser auffüllte. Danach lehnte er sich mit verschränkten Armen an den Kaminsims und beobachtete uns.
    Ich richtete den Blick auf Ve ritas und wartete darauf, dass er das Wort ergriff.
    Er seufzte. »Ich sah mit deinen Augen das Kind. Sah, wie sich die Entfremdeten um die Kleine rissen. Dann warst du plötzlich verschwunden. Unsere Verbindung löste sich, und ich konnte

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