Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
überstanden hatten. Sieben waren von der Prüfung zurückgekehrt. Ich hatte sie nicht bestanden, August war aus besagten Gründen aus dem Rennen. Blieben also fünf.
Ein kleiner Zirkel. Ob sie mich alle mit der glei chen Hingabe verabscheuten wie Serene? Sie ließ mich nicht im Unklaren darüber, dass ich in ihren Augen schuld war an Galens Tod. Waren die anderen ebenso gut informiert? Ich versuchte sie mir einen nach dem anderen ins Gedächtnis zu rufen: Justin. Sehr von sich eingenommen und zu stolz auf sei ne Gabe. Carrod. Früher ein schläfriger, liebenswerter Bursche. Die we nigen Male, die ich ihn seit seiner Aufnahme in den Zirkel gesehen hatte, waren mir seine Augen seltsam leer erschienen. Als wäre nichts von sei nem ursprünglichen Selbst mehr übrig. Burl hatte seine Muskelkraft vernachlässigt und Fett angesetzt, seit er nur noch mit dem Kopf arbeitete und nicht mehr als Zim mermann sein Brot verdiente. Will war immer unscheinbar gewesen und hat te auch durch die Gabe nicht an Profil gewonnen. Trotzdem, sie verfügten alle bewiesenermaßen über die Fähigkeit, als Zirkel zu wirken. Konnte Veritas sie auf sich einschwören? Vielleicht. Aber wann? Wann hatte er Zeit für ein derartiges Unterfangen?
Jemand kommt.
Bäuchlings auf dem Bett liegend schrak ich inmitten der verstreuten Schriftrollen hoch. Hätte Nachtauge nicht mit Hilfe meiner eigenen Sinne über mich gewacht, wäre ich voll kommen ahnungslos gewesen. So beobachtete ich, wie die Tür sich langsam öffnete. Das Feuer war niedergebrannt, nur die glim mende Glut erhellte noch das Zim mer. Da ich nicht vor gehabt hatte einzuschlafen, war der Riegel noch nicht vorgeschoben. Ich verhielt mich mucksmäuschenstill und fragte mich, wer der ungebetene Besucher sein moch te, der mich hier zu über rumpeln hoffte. Oder war es jemand, der glaubte, das Zimmer verlassen vorzufinden, jemand, der es auf die Schriftrollen abgesehen hatte?
Meine Hand glitt zum Messer an meinem Gürtel und meine Muskeln spannten sich an. Währenddessen schlüpfte eine Gestalt
herein und schloss leise die Tür hinter sich. Ich zog langsam das Messer.
Es ist dein Weibchen.
Nachtauge reckte sich und gähnte. Sein Schwanz wedelte träge. Mit dem nächsten Atemzug sog ich ihren süßen Duft ein - es war Molly - und spürte, wie mein Körper zum Leben erwachte. Mit geschlossenen Augen lag ich still da und ließ sie herankommen. Ich hörte ihr missbilligendes Zungenschnalzen und dann ein Rascheln, als sie die Schriftrollen aufsammelte und ordentlich auf den Tisch legte. Dann berührte sie scheu meine Wange. »Neuer?«
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mich schlafend zu stellen. Sie setz te sich zu mir aufs Bett. Ich fühlte, wie die Matratze unter ihrem Gewicht nachgab, dann beugte sie sich über mich und legte ihren weichen Mund auf den mei nen. Ich streckte die Arme aus und zog sie wie von einem dankbaren Staunen erfüllt an mich. Bis vor kurzem war ich jemand gewesen, in dessen Leben intime körperliche Berührungen Seltenheitswert hatten. Da war einmal ein ka meradschaftliches Schulterklopfen oder ein zu fälliges Aufeinandertreffen in ei nem Gedränge oder aber - in letzter Zeit leider zu häu fig - Hände, die versuchten, mich zu erwürgen. Nach all diesem geschah die vergangene Nacht und nun dies. Sie ließ sich auf mein Bett sinken und schmiegte sich an mich. Ich atmete ihren Duft ein, lag still da und spürte genussvoll den Stellen nach, wo ihr Körper den meinen berührte und wärmte. Das Gefühl glich einer schwebenden Seifenblase, und ich wagte kaum zu atmen, damit sie nicht zerplatzte.
Schön, stimmte Nachtauge zu. Nicht mehr so viel Alleinsein. Fast wie im Rudel.
Ich zuckte zusammen und rückte ein Stück von Molly ab.
»Neuer? Was ist?«
Mein. Dies ist mein und gehört nicht zu den Dingen, die ich mit dir teile. Verstehst du?
Du bist selbstsüchtig. Dies ist kein Fleisch, das durch Teilen weniger wird.
»Einen Augenblick, Molly. Ich habe einen Krampf.«
In welchem Glied? Das war eindeutig anzüglich.
Nein, es ist ganz und gar nicht wie Fleisch. Fleisch würde ich genauso wie die Behausung stets mit dir teilen, und ich werde immer herbeieilen, um an deiner Seite zu kämpfen, wenn du mich brauchst. Wir werden immer Jagdgefährten sein. Aber diese Sache hier mit mei nem - Weibchen, das geht nur mich an. Ganz allein.
Nachtauge schnaufte und kratzte nach einem Floh. Du ziehst immerfort Grenzen, die es nicht gibt. Das Fleisch, die Jagd, die
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