Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Wesen unseres Volkes anzupassen. Ihre Auswahl der Pflanzen, die Zusammenstellung und Gestaltung war von überlegter Schlichtheit. Steinbrocken unterschiedlicher Größe dienten zur Dekoration wie auch bizarr geformte und vom Salzwasser gebeizte Stücke
Treibholz. Ich hätte dort im Garten in Ruhe meditieren können, doch vermutlich war es trotz allem nicht die lauschige Oase, an die Veritas sich erinnerte und wo er sich einst im warmen Sommerwind entspannt hatte. Obwohl der Garten Kettricken viel Freude bereitete, hatte er ihr nicht - wie erhofft - geholfen, ihrem Gemahl näherzukommen. Sie war so schön wie im mer, doch über ih ren blauen Augen lag ständig ein Schleier von Geistesabwesenheit und Kummer. Meistens war ihre Stirn nachdenklich gerunzelt, und wenn sich ihr Gesicht einmal entspannte, sah man die weißen Linien auf der Haut, die von der Sonne unberührt blieben. Bei meinen Besuchen geschah es häufig, dass sie ihre Frauen wegschickte, um mich dann so gründlich über die Fahrten der Rurisk auszufragen, als wäre sie Veritas selbst. War ich dann zu Ende mit meinem Bericht, presste sie die Lippen zusammen und schaute mit starrem Blick über die Mauerkrone hinweg zum Horizont, wo Meer und Himmel sich trafen. An einem Tag schon etwa gegen Ende des Sommers, als sie sich wieder in dieser Stimmung befand, trat ich zu ihr und bat um Urlaub, weil ich zu mei nem Schiff zu rückkehren wollte. Sie schien meine Frage gar nicht zu hören. Statt zu antworten, sagte sie leise: »Es muss eine endgültige Lösung geben. So kann es auf Dauer nicht weitergehen. Es muss einen Weg geben, diesem unerträglichen Zustand ein Ende zu machen.«
»Bald werden wir Ruhe haben, Hoheit. Schon hat der Frost einige Eurer Kletterpflanzen berührt. Friert es erst, sind die Herbststürme nicht mehr weit, und das bedeutet Frieden für uns.«
»Frieden? Ha!« Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. »Ist es Frieden, wachzuliegen und zu fragen, wer als Nächster sterben wird, wo sie nächstes Jahr zuschlagen werden? Das ist nicht Frieden. Das ist Folter. Es muss einen Weg geben, mit den Roten Schiffen ein Ende zu machen, und ich habe vor, ihn zu finden.«
Fast hörte es sich an wie eine Drohung.
KAPITEL 17
ZWISCHENSPIELE
I hre Knochen waren aus Stein gebildet, aus dem dem glitzernden, geäderten Fels der Berge. Ihr Fleisch war aus den schimmernden Salzen der Erde, doch ihre Herzen waren aus den Herzen der Weisen erschafen. Sie kamen von weit her, diese Männer, einen langen und ermüdenden Weg. Sie zögerten nicht, das Leben von sich abzutun, das ihnen eine Last geworden war. Sie endeten ihre Tage und wurden Geschöpfe der Ewigkeit, sie legten ab Fleisch und Stein, ließen die Wafen fallen und erhoben sich auf Schwingen aus Licht. Die Uralten.
Als der König mich endlich ru fen ließ, ging ich zu ihm. Getreu dem mir selbst gegebenen Versprechen, hatte ich ihn seit jenem Nachmittag nicht mehr aufgesucht. Der Groll über sei ne Absprache mit Herzog Brawndy, Zelerita und mich betreffend, nagte immer noch an mir. Doch einem Ruf des Königs musste Folge geleistet werden, ob man sich nun darüber freute oder sich dagegen sträubte.
Es war an ei nem Herbstmorgen, an dem er nach mir schickte. Es war über zwei lange Monate her, dass ich das letzte Mal vor ihm gestanden hatte. Ich hatte die betrübten Blicke des Narren ignoriert, die er mir zuwarf, wenn wir uns begegneten, und auf Veritas’
gelegentliche Frage, weshalb ich mei ne Besuche bei seinem Vater eingestellt hatte, hatte ich ausweichend geantwortet. Begründungen boten sich an. Nach wie vor hütete Wallace die Tür zu des Königs Ge mächern wie ein Drache, und die angegriffene Gesundheit des Königs war längst kein Geheimnis mehr. Vor dem Mittag wurden keine Besucher mehr vorgelassen. Deshalb musste dieser frühe Ruf eine besondere Bedeutung haben.
Ich war davon ausgegangen, dass dieser Morgen mir gehören würde. Der Herbst hatte ungewöhnlich früh mit ei nem zwei Tage währenden Sturm seinen Einstand gegeben. Der Wind fegte in heftigen Böen über uns hinweg und prasselnder Regen sorgte dafür, dass jeder in ei nem offenen Boot vollauf mit Schöpfen beschäftigt sein würde. Ich hatte den Abend zuvor mit der üb rigen Besatzung der Rurisk in einem Wirtshaus verbracht, auf den ersten Herbststurm angestoßen und den Roten Schiffen entsprechend Mastund Schonbruch gewünscht. In der Burg war ich dann ziemlich angeheitert und mit der Überzeugung in mein Bett ge fallen, nach
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