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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Belieben ausschlafen zu können. Doch ein pflichtbewusster Page hatte irgendwann später so lange an die Tür ge hämmert, bis ich es beim besten Willen nicht mehr überhören konnte, worauf er mir dann den Befehl des Königs ausgerichtet hat.
    So musste ich mich schnell waschen, rasieren, kämmen und frische Kleider anziehen. Ich war fest entschlossen, mir nichts von meinem anhaltenden Groll anmerken zu lassen, und so verließ ich mein Zimmer erst, als ich das Ge fühl hatte, Herr mei ner selbst zu sein. Ausnahmsweise öffnete Wallace prompt auf ein Klopfen und ließ mich, wenn auch mit ungnädiger Miene, ohne das übliche Geplänkel eintreten.
    Listenreich saß in einem gepolsterten Sessel vor seinem Kamin. Trotz allem tat es mir weh zu sehen, wie hinfällig er geworden war. Seine Haut war dünn und durchscheinend wie
Pergament, seine Finger waren zu fleischlosen Vogelkrallen abgemagert. Sein Gesicht war mager und schlaff und die Augen tief in die Höhlen gesunken. Er hielt die Hände auf eine Art im Schoß gefaltet, die ich gut kannte. Auf genau dieselbe Weise verschränkte ich die Finger, um das Zittern zu verbergen, das mich auch jetzt noch gelegentlich überkam. Auf einem Tisch neben ihm stand ein Räuchergefäß, in dem Rauchkraut schwelte. Der Qualm hing bereits als wabernder bläulicher Schleier unter den Deckenbalken. Zu Füßen seines Herrn kauerte mit tieftrauriger Miene der Narr.
    »FitzChivalric ist hier, Euer Majestät«, meldete Wallace mich an.
    Der König fuhr zusammen, dann richtete er den Blick auf mich. Ich trat vor ihn.
    »FitzChivalric«, sagte er, wie um das Gesicht vor ihm mit meinem Namen in Zusammenhang zu bringen. Hinter seinen Worten war kein Wille und kein Nachdruck. Gleichzeitig blieb mei ne Bitterkeit, gleichwohl sie das Mitleid, das ich empfand, nicht auszulöschen vermochte. Er war immer noch mein König.
    »Majestät, ich bin ge kommen, wie Ihr be fohlen habt.« Ich hielt mich an der Förmlichkeit fest.
    Er betrachtete mich aus trüben Augen, wandte den Kopf zur Seite und hustete. »Ich sehe, ich sehe. Gut.« Sein Blick kehrte zu mir zu rück; er at mete tief ein, doch die Luft drang nur sehr mühselig bis zu sei ner Lunge. »Gestern Abend ist ein Ku rier von Herzog Brawndy von Bearns eingetroffen. Er brachte den Erntebericht und so weiter, hauptsächlich Nachrichten für Edel. Doch Brawndys Tochter Zelerita schickte gleichzeitig diese Schriftrolle mit. Sie ist für dich.«
    Er streckte sie mir hin. Es war eine klei ne Pergamentrolle, mit einem gelben Band zugebunden und verschlossen mit einem Siegel
aus grü nem Wachs. Zö gernd trat ich vor, um die Rolle an mich zu nehmen.
    »Brawndys Kurier reitet heute nachmittag nach Bearns zu rück. Ich bin si cher, du wirst bis da hin eine entsprechende Antwort aufgesetzt haben.« Der Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass dies keine Bitte war, sondern ein Befehl. Er hustete erneut. Ich kämpfte mit meinen widerstreitenden Empfindungen, die ich für ihn hegte, und es brodelte in meinem Magen.
    »Mit Eu rer Erlaubnis.« Ich erbrach das Siegel, streifte das Band ab und entdeckte dabei, dass es sich um zwei Schriftrollen handelte. Die erste war ein kurzes Schreiben von Zelerita, wie ich beim Überfliegen feststellte; sie hatte eine klare, deutliche Schrift. Anschließend warf ich einen kurzen Blick auf die zweite Rolle. Als ich aufschaute, sah ich, dass Listenreich mich beobachtete. Ich setzte eine nichtssagende Miene auf. »Sie schreibt, dass sie hofft, dass es mir gutgeht, und schickt mir die Abschrift von einem Original einer Schriftrolle, die sie in der Bib liothek von Ripplekeep gefunden hat. Oder, ge nauer gesagt, die Kopie dessen, was noch zu entziffern war. Aus der Um hüllung glaubte sie schließen zu können, dass der In halt mit den Uralten zu tun hat, denn wäh rend meines Besuchs auf der Burg ih res Vaters ist ihr mein In teresse an diesem Thema aufgefallen. Mein erster Eindruck ist, dass es sich bei diesen Schriften um eine philosophische Abhandlung oder aber um Lyrik handelt.«
    Ich gab Listenreich die Schriftrollen zurück, und nach kurzem Zögern nahm er sie. Er ent rollte die erste, hielt sie auf Armeslänge von sich und runzelte die Stirn, dann ließ er sie in den Schoß sinken. »Meine Augen wollen oft nicht so recht, so früh am Morgen«, meinte er. Ungeschickt legte er die beiden Pergamentbögen ineinander und rollte sie wieder zusammen. »Du wirst ihr einen angemessenen Dankesbrief schreiben.«

    »Wie Ihr wünscht,

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