Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Majestät.« Ich hütete mich, durch mei nen Tonfall zu verraten, was in mir vorging. Nachdem ich noch etliche Minuten vor ihm gestanden hatte, während er durch mich hindurchsah, hielt ich es für angebracht zu fragen: »Bin ich nun entlassen, Majestät?«
»Nein.« Diesmal hustete er länger und heftiger. »Du bist nicht entlassen. Wollte ich dich mir aus den Augen schaffen, hätte ich dies bereits vor Jahren getan. Ich hätte dich in irgendeinem Hinterwäldlernest aufwachsen las sen. Oder dafür gesorgt, dass du gar nicht aufwächst. Nein, FitzChivalric, ich habe dich noch nicht entlassen .«
Etwas von der früheren Kraft sprach aus seiner Stimme. »Vor Jahren haben wir ein Abkommen getroffen. Du hast dei nen Teil gehalten. Und gut gehalten. Ich weiß, wie sehr du mir dienst, selbst wenn du es nicht mehr für nötig hältst, mir persönlich Bericht zu erstatten. Ich weiß, dass du mir treu ergeben bist, auch wenn du mir grollst. Ich könnte nicht viel mehr fordern, als du mir bereits gegeben hast.« Ein neuerlicher Hustenanfall unterbrach ihn. Als er wieder sprechen konnte, wandte er sich an den Narren.
»Bring mir einen Kelch von dem gewärmten Wein. Und lass dir von Wallace die - Kräuter geben, um ihn zu würzen.« Der Narr erhob sich augenblicklich, aber er schien eher widerwillig. Stattdessen warf er mir, als er hinter des Königs Sessel wegging, einen vernichtenden Blick zu. Der König bedeutete mir mit ei ner Geste zu warten. Er rieb sich die Augen, dann verschränkte er die Hände wieder im Schoß. »Ich bemühe mich nur, meinen Teil der Abmachung zu erfüllen«, fuhr er fort. »Ich habe versprochen, für dich zu sorgen, und das will ich tun, so gut ich es vermag. Ich möchte dich standesgemäß vermählt sehen. Ich möchte … Ah, ich danke dir.«
Der Narr war zurück mit dem Wein. Er hatte den Kelch nur zur Hälfte gefüllt, und das aus gutem Grund, wie ich bemerkte, als
der König mit beiden Händen danach griff. Neben dem Duft des Weins roch ich das Aroma mir unbekannter Kräuter. Der Rand des Kelchs schlug zweimal gegen Listenreichs Zähne, bevor er ihn ruhig halten konnte und einen tiefen Schluck daraus nahm. Dann saß er mit ge schlossenen Augen einen Moment still da, als horchte er in sich hinein. Als er mich wieder ansah, schien er im ersten Moment verwirrt zu sein, doch er besann sich gleich wieder. »Ich möchte, dass du ei nen Titel hast und dass dir Land zu gesprochen wird.« Er nahm ei nen zweiten Schluck, legte wärmesuchend die Hände um den Kelch und sah mich an. »Ich sollte dich daran erinnern, dass es nichts Geringes ist, wenn Brawndy keine Einwände gegen dich als Schwiegersohn erhebt. Er nimmt keinen Anstoß an deiner Herkunft. Zelerita kommt zu dir mit eigenem Titel und eigenen Besitzungen. Eure Vermählung gibt mir die Gelegenheit, dich ebenfalls mit Ländereien zu belohnen. Ich will nur das Beste für dich. Ist das so schwer zu verstehen?«
Diese Frage gestattete mir, frei zu ihm zu sprechen. »Majestät, ich weiß, Ihr seid um mein Wohl bedacht. Ich bin mir der Ehre bewusst, die Herzog Brawndy mir erweist, und jeder Mann wäre stolz, Lady Zelerita als Gemahlin heimführen zu dürfen. Aber ich habe eine andere gewählt.«
Sein Blick verfinsterte sich. »Jetzt hörst du dich an wie Ve ritas. Oder wie dein Vater. Ich glaube, sie haben den Eigensinn mit der Muttermilch eingesogen.« Er leerte den Kelch, lehnte sich zu rück und schüttelte den Kopf. »Narr! Mehr Wein.«
»Ich habe die Ge rüchte gehört«, nahm er schwerfällig den Faden wieder auf, nachdem der Narr ihm den Kelch abgenommen hatte. »Edel kommt damit und flüstert sie mir ins Ohr wie eine Küchenmagd. Als wä ren solche Gerüchte auch nur im Ge ringsten wichtig. Sie sind wie das Gackern der Hühner im Hof. Wie Hundegebell. Weiter nichts.« Während er sprach, füllte der Narr den Kelch aus
der Weinkanne, jeder Muskel seines schmächtigen Körpers verriet, wie ungern er gehorchte. Wallace erschien wie durch Zauberei herbeigerufen. Er häufte getrocknete Kräuter in das Räuchergefäß, blies mit gespitzten Lippen behutsam auf ein Stückchen Kohle, bis die Kräuter schwelten, und entschwand wieder. Listenreich beugte sich vor, so dass der Rauch an seinem Gesicht vorüberzog. Er inhalierte, hüstelte und atmete nochmals den Drogenrauch ein. Dann lehnte er sich im Sessel zurück. Ein schweigender Narr hielt seinen Weinkelch.
»Edel behauptet, du seist verliebt in eine Kam merzofe. Dass du sie hartnäckig verfolgst.
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