Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
auf dem Meer herumgerudert bist? Hast du geglaubt, nur weil es dir gelungen ist, dich vor ei ner unangenehmen Arbeit zu drücken, braucht sie nicht mehr getan zu werden?«
Das war die Krönung eines schwarzen Tages, ich fühlte mich wie am Boden zerstört. »Chade, es tut mir leid.«
»Tut es dir leid, dich gedrückt zu haben? Oder dass du geglaubt hast, ich säße hier untätig auf dem Altenteil?«
»Beides. Alles zusammen. Chade, bitte, wenn noch ein Mensch, an dem mir liegt, zornig auf mich wird, ist es mehr, als ich ertragen kann.« Ich hob den Kopf und sah ihn an, bis er gezwungen war, meinen Blick zu erwidern.
Er kratzte seinen Bart. »Es ist für uns beide ein langer Sommer gewesen. Bitten wir El, dass er Stürme sendet, um die Roten Schiffe vom Angesicht der Welt zu fegen.«
Eine Zeitlang verharrten wir gemeinsam in Schweigen.
»Manchmal«, meinte Chade endlich, »wäre es um vie les leichter, für seinen König zu sterben, als das Leben für ihn zu geben.«
Ich neigte zustimmend den Kopf. Den Rest der Nacht brachten wir damit zu, die Gifte vorzubereiten, die ich brauchen würde, um wieder hinauszugehen und im Auftrag meines Königs zu morden.
KAPITEL 18
DIE URALTEN
D er Herbst des dritten Jahres des Krieges mit den Roten Korsaren war eine bittere Zeit für den Kron prinzen Veritas. Die Kriegsschife waren seine große Hofnung gewesen. Er hatte geglaubt, er konnte unsere Küste von Piraten säubern und - getragen von diesen Erfolgen - im Winter dem Feind an dessen heimatlichen Gestaden Gleiches mit Gleichen vergelten. Trotz erster Siege gelang es jedoch nicht, die Piraten während des Sommers entscheidend in die Schranken zu weisen. Zu Winteranfang gebot er über eine Flotte von fünf Schifen, von denen zwei kürzlich schwer beschädigt worden waren. Weiterhin seetüchtig war das gekaperte Schif der Roten Korsaren, das unter neuer Flagge und mit neuer Mannschaft zu Patrouillenfahrten eingesetzt wurde oder als Geleitschutz für Handelsschife. Als endlich die Zeit der Herbststürme begann, bekundete nur einer der Kapitäne genügend Vertrauen in seine Mannschaft und die Tüchtigkeit seines Schifs, um sich zu einer Raubfahrt an den Küsten der Äußeren Inseln bereitzuerklären. Die anderen Kapitäne sprachen sich dafür aus zu warten, um diesen Winter Mensch und Material an unserer eigenen rauen Küste zu erproben und im Sommer taktische Manöver zu üben, bevor man sich an ein derart ehrgeiziges Unternehmen wagte.
Veritas wollte nicht befehlen und Männer gegen ihren Willen in die
Gefahr schicken, doch er machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung und nahm die Ausstattung der Revenge, wie man das einzige freiwillige Schif umgetauft hatte, zum Anlass, sie deutlich werden zu lassen. Es wurde an nichts gespart. Die vom Kapitän handverlesene Mannschaft durfte sich an Rüstungen aussuchen, was jedem gefiel, und erhielt neue Wafen der allerbesten Qualität. Die Expedition wurde mit großem Zeremoniell auf die Reise geschickt, sogar König Listenreich erschien, trotz seiner schwachen Gesundheit. Die Königin hängte mit eigener Hand die Möwenfedern an den Mast, von denen es heißt, dass sie ein Schif schnell und sicher in den Heimathafen zurückbringen. Lauter Jubel erhob sich, als die Revenge in See stach, und an dem Abend wurde oft und oft auf das Wohl von Kapitän und Besatzung getrunken.
Einen Monat darauf sollte Veritas zu seinem Verdruss die Nachricht erhalten, ein Schif, auf das die Beschreibung der Revenge passte, treibe in den ruhigeren Gewässern südlich der Sechs Provinzen sein Unwesen und mache den Handelsleuten aus Bingtown und den Chalced-Staaten schwer zu schafen. Das war alles, was man von den Helden des Vaterlandes je wieder in Bocksburg hörte. Man hätte gern den Outislandern unter der Besatzung die Schuld in die Schuhe geschoben, doch es befanden sich mindestens ebenso viele Matrosen aus den Sechs Provinzen an Bord, und der Kapitän stammte aus Burgstadt selbst. Diese Sache war ein schwerer Schlag für Veritas’ Stolz und sein Ansehen im Volk, und man che glauben, aus diesem Anlass habe er den Entschluss gefasst, sich selbst zu opfern, in der Hofnung, den Sechs Provinzen Rettung zu bringen.
Ich bin sicher, der Narr hat sie darauf gestoßen. Jedenfalls verbrachte er viele Stunden bei Kettricken in ihrem Dachgarten, und seine Bewunderung für das, was sie dort erreicht hatte, war keinesfalls geheuchelt. Mit einem aufrichtig gemeinten Kompliment lässt sich viel Sympathie
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