Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
einfach. Wir bringen das Pferd zurück in die Box, bis Flink ei nen anderslautenden Befehl gibt. Kein Pferd verlässt den Stall von Bocksburg, ohne dass der Stallmeister davon weiß.« Der Junge hatte das Halfter des Pferdes nicht losgelassen, nun gab ich ihm noch die Führungsleine in die Hand.
»Das ist ge nau, was ich auch gedacht habe, Herr«, sagte er forsch. »Vielen Dank, Herr. Komm mit, mein Guter.« Der Junge marschierte die Stallgasse entlang. Das mächtige Tier polterte geduldig hinter ihm her.
»Ich habe Order, das Pferd mit zunehmen. Herzog Ram von Tilth wünscht, dass es sofort auf ein Flussboot verladen wird.« Der Mann aus Tilth nahm sich sehr wichtig.
»Ach nein, wirk lich? Und hat er das mit unserem Stallmeister geklärt?« Ich war überzeugt, er hatte nicht.
»Was ist hier los?« Flink kam ge laufen, seine Ohren und Wangen leuchteten rosarot. Bei einem anderen Mann hätte es vielleicht nur komisch ausgesehen, bei ihm bedeutete es aber, dass er wütend war.
Der Wichtigtuer straffte sich und streckte sein Kinn nach vorne. »Dieser Mann und einer deiner Burschen haben sich eingemischt, als wir un sere Pferde aus dem Stall ho len wollten«, erklärte er hochmütig.
»Cliff hat nichts mit Tilth zu tun. Er wurde vor sechs Jahren hier im Stall von Bocksburg geboren. Ich war dabei«, hielt ich ihm entgegen.
Der Mann warf mir einen herablassenden Blick zu. »Ich habe nicht mit dir ge sprochen. Ich rede mit ihm.« Er zeigte mit dem Daumen auf Flink.
»Ich habe einen Namen, Herr«, ließ dieser ihn in frostigem Ton wissen. »Ich heiße Flink. In Abwesenheit von Burrich, der unseren Kronprinzen begleitet, habe ich das Amt des Stallmeisters inne. Und er hat ebenfalls einen Namen - FitzChivalric. Er hilft mir gelegentlich. Er gehört in meinen Stall. Wie mein Stallbursche und mein Pferd. Und was Euch angeht: Falls Ihr einen Namen habt, so ist er mir nicht genannt worden. Ich wüsste nicht, was Euch das Recht gäbe, herzukommen und Ansprüche zu stellen.«
Burrich war Flink ein guter Lehrmeister gewesen. Wir tauschten einen Blick, machten gleichzeitig kehrt und entfernten uns langsam.
»Ich bin Lance, die rechte Hand des Stall meisters von Herzog Ram. Dieses Pferd wurde an meinen Herzog verkauft. Und nicht nur das eine, außerdem noch zwei gescheckte Stuten und ein Wallach. Ich habe die Papiere hier.«
Als wir uns wieder umdrehten, hatte Lance eine Schriftrolle zum Vorschein gebracht. Mir wurde bang beim Anblick des roten Wachsklumpens mit dem eingedrückten Bockssiegel. Es sah echt aus. Flink nahm die Rolle. Er warf mir aus den Au genwinkeln einen hilfeflehenden Blick zu, und ich trat neben ihn. Burrich hatte ihn im Lesen und Schreiben unterrichtet, doch nach wie vor stand er mit dem Alphabet auf Kriegsfuß, weshalb ein Schriftstück zu entziffern für ihn eine mühselige Angelegenheit war. Ich blickte ihm über die Schulter, während er das Pergament aufrollte und mit gerunzelter Stirn betrachtete.
»Es ist ganz eindeutig.« Lance aus Tilth streckte die Hand aus. »Soll ich vorlesen?«
»Spart Euch die Mühe.« Flink rollte das Dokument wieder zusammen, ich übernahm für ihn die Antwort. »Wie Ihr sagt, es ist ganz eindeutig, und es ist unterzeichnet von Prinz Edel. Aber Cliff ist nicht sein Pferd. Er und die Stuten und der Wallach gehören Bocksburg. Sie sind Eigentum des Königs, nur er hat das Recht, sie zu verkaufen.«
»Kronprinz Veritas weilt nicht am Hof. Prinz Edel regiert an seiner Stelle.«
Ich legte Flink, der aufbrausen wollte, beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Kronprinz Veritas ist in der Tat auf Reisen, da habt Ihr Recht. Aber Sei ne Majestät, der König, nicht. Und unsere Thronfolgerin Kettricken ebenfalls nicht. Nur die Unterschrift und das Siegel entweder des einen oder der anderen genehmigt den Verkauf eines Pferdes aus den Ställen von Bocksburg.«
Lance riss Flink die Rolle aus der Hand und warf selbst einen Blick auf den Schriftzug. »Nun, ich den ke, Prinz Edels Unterschrift sollte Euch genügen, solange der Thronfolger nicht hier ist. Schließlich weiß alle Welt, dass der alte König die meiste Zeit nur noch vor sich hindämmert. Und Kettricken gehört nicht - nun, sie
gehört nicht zur Familie. Nicht wirklich. In Veritas’ Abwesenheit ist folglich Edel …«
»Prinz.« Ich sprach das Wort mit scharfer Betonung aus. »Ihn mit Geringerem zu bezeichnen, wäre Hoch verrat. Umgekehrt jedoch auch, ihm eine Würde zuzuerkennen, die ihm nicht gebührt.«
Ich
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