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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Bestandteilen Erschöpfung, Enttäuschung wie auch Schmerz zusammen. Es war die Art von Zorn, die einen Mann dazu bringt, die Hände zu heben und einfach zu sagen: »Ich kann es nicht mehr länger ertragen.«
    »Was nicht mehr ertragen?«, erkundigte sich Chade. Er stand an
seinem fleckigen Steintisch und hob den Blick von dem Mörser, in dem er irgendein Ingredienz zu Pulver zerstieß. Die aufrichtige Anteilnahme in seiner Stimme veranlasste mich, auf der Schwelle zu verharren und den Mann zu betrachten, zu dem ich die Worte gesprochen hatte, ohne es zu merken. Ein hochgewachsener, hagerer Assassine. Pockennarbig. Das Haar inzwischen fast schlohweiß. Gekleidet in das im mer gleiche graue Gewand, fleckig und mit kleinen Brandlöchern übersät - was Spuren seiner Arbeit waren. Ich fragte mich, wie viele Männer er für seinen König auf einen Wink oder Kopfnicken hin getötet hatte. Getötet, ohne Fragen zu stellen, getreu seinem Eid. Ungeachtet all dieser Todesfälle war er ein sanfter Mensch. Plötz lich brannte mir eine Frage auf der Zunge, über der ich vergaß, die seine zu beantworten.
    »Chade, hast du jemals einen Menschen nur zu deinem eigenen Nutzen getötet?«
    Er machte ein verwundertes Gesicht. »Nur zu meinem eigenen Nutzen?«
    »Ja.«
    »Du meinst, um mein Leben zu schützen.«
    »Nicht unbedingt. Ich meine, nicht im Auftrag des Königs. Ich meine, getötet, um - dein Leben einfacher zu machen.«
    Er schnaubte. »Selbstverständlich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Man geht nicht he rum und tötet Leute, weil es ei nem gerade passt. Das ist ein Verbrechen. Es ist Mord, Junge.«
    »Außer, man tut es für den König.«
    »Außer, man tut es für den König«, stimmte er zu.
    »Chade, worin besteht der Unterschied? Ob du es für dich selbst tust oder für Listenreich?«
    Er seufzte, ließ ab von seiner Pulvermischung, kam um den Tisch herum und setzte sich auf einen hochbeinigen Hocker. »Ich kann
mich erinnern, dieselben Fragen gestellt zu haben, als ich in deinem Alter war. Allerdings mir selbst, weil mein Lehrer nicht mehr lebte.« Er sah mir fest in die Augen. »Es ist eine Frage des Glaubens. Glaubst du an deinen König? Und dein König muss für dich mehr sein als dein Halbbruder oder dein Großvater. Er muss mehr sein als der gute alte Listenreich oder Veritas, die ehrliche Haut. Er muss der Souverän sein, das Herz des Königreichs, die Nabe des Rades. Ist er das, und wenn du glaubst, dass die Sechs Provinzen es wert sind, erhalten zu werden, dass es dem Wohl unseres Volkes dient, den Richtspruch des Königs zu vollstrecken, dann, nun ja.«
    »Dann kannst du für ihn töten.«
    »Richtig.«
    »Hast du je wider besseres Wissen getötet?«
    »Du stellst viele Fragen heute Nacht.« Chades Tonfall mahnte zur Vorsicht.
    »Vielleicht hast du mich zu lange allein gelassen, so dass ich Muße hatte, über dies und jenes nachzugrübeln. Früher, als wir jede Nacht beschäftigt waren, habe ich nicht so viel nachgedacht. Aber jetzt tue ich es.«
    Er nickte langsam. »Denken ist nicht im mer - angenehm. Es ist immer gut, aber nicht im mer angenehm. Ja. Ich habe wider besseres Wissen getötet. Auch das ist eine Frage des Glaubens. Ich musste glauben, dass diejenigen, die den Befehl gaben, klüger waren als ich und Zusammenhänge besser durchschauten.«
    Ich schwieg ziem lich lange, und Chades Haltung entspannte sich. »Komm herein, bleib nicht im Durchzug stehen. Trinken wir ein Glas Wein zusammen, und dann muss ich mit dir über …«
    »Hast du je aus eigenem Ermessen getötet? Zum Wohl des Königreichs?«
    Chade musterte mich eine Weile stumm. Ich hielt seinem Blick stand. Schließlich war er es, der die Augen niederschlug und seine
Altmännerhände betrachtete, die pergamentene Haut, die grellroten Brandnarben. »Ich bin nicht derjenige, der das Urteil über Tod und Leben fällt.« Er hob den Kopf und schaute mich wieder an. »Die schwere Bürde dieser Verantwortung zu übernehmen - danach habe ich nie gestrebt. Es ist nicht an uns, Junge. Solche Entscheidungen zu treffen, obliegt dem König.«
    »Ich heiße nicht ›Junge‹«, hörte ich mich zu meiner eigenen Überraschung sagen, »ich bin FitzChivalric.«
    »Mit der Betonung auf dem Fitz.« Chades Ton war scharf. »Du bist der illegitime Spross eines Mannes, der darauf verzichtet hat, König zu werden. Er hat abgedankt. Und hat damit das Recht verloren, Urteile zu fällen. Du bist nicht König, Fitz, nicht ein mal der Sohn eines wahren Königs. Wir sind

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