Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
dabei. Also. Holst du nun Holz für die Schienen?«
Was blieb mir anderes übrig. Er schnitt an einer alten Hose das Bein auf, um sie über Verband und Schie ne ziehen zu kön nen, und ich half ihm die Stiege hinunter. Dann, ungeachtet seiner Worte von vorhin, humpelte er zu Rötels Box, um sich zu überzeugen, dass er gut versorgt war. Ich ging derweil zum Palas voraus. Ich wollte mit Kettricken sprechen und sie wissen lassen, dass jemand vor ihrer Tür Wache halten würde und warum.
Ich klopfte an und wurde von Rosemarie eingelassen. Die Königin war zugegen sowie eine Anzahl ihrer Frauen. Sie stickten oder hatten einen kleinen Webrahmen auf dem Schoß, dabei plauderten sie. Kett ricken hatte ihr Fenster an diesem milden Wintertag geöffnet und blickte sinnend über das ruhige Meer. Sie erinnerte mich an Ve ritas, wenn er von der Gabe Ge brauch machte, und ich nahm an, dass ganz ähnliche Gedanken sie bewegten. Ich folgte ihrem Blick und fragte mich, wo die Roten Korsaren heute zuschlagen würden und wie die Dinge in Bearns stehen mochten.
Offiziell gab es keine Nachrichten von dort. Gerüchte vermeldeten jedoch, die Küste wäre rot von Blut.
»Rosemarie, ich möchte unter vier Augen mit der Königin sprechen.«
Die Kleine nickte ernsthaft, trippelte hinüber zu ihrer Herrin und machte einen Knicks. Kettricken lauschte, blickte auf und bedeutete mir mit einer Handbewegung, ihr in der Fensternische Gesellschaft zu leisten. Ich begrüßte sie förmlich, dann wies ich lächelnd auf die See hinaus, als unterhielten wir uns über das schöne Wetter. Doch leise sagte ich: »Bur rich hat den Wunsch, von heute Nacht an vor Eurer Tür Wache zu halten. Er fürchtet, wenn andere erfahren, dass Ihr guter Hoffnung seid, ist Euer Leben in Gefahr.«
Eine andere Frau wäre blass geworden oder hätte wenigstens Überraschung erkennen lassen. Kettricken hingegen berührte nur mit den Fingerspitzen das durchaus brauchbare Messer, das sie stets neben dem Schlüsselbund am Gürtel trug. »Fast wäre mir ein solcher offener Angriff willkommen.« Sie überlegte. »Ich den ke, es ist eine kluge Maßnahme. Was kann es schaden, sie wissen zu lassen, dass wir einen Verdacht haben. Weshalb sollte ich besonnen und taktvoll sein? Burrich hat bereits ihre Grüße erhalten - einen Pfeil ins Bein.« Die Bit terkeit in ih rer Stimme und ihr grimmiger Unterton erschreckten mich. »Er mag seinen Posten einnehmen, und ich will ihm dan ken. Ich könnte ei nen gesünderen und kräftigeren Mann auswählen, aber ich würde nicht so viel Vertrauen zu ihm haben wie zu Burrich. Wird sein verletztes Bein ihm erlauben, seinen Dienst zu versehen?«
»Ich glaube nicht, dass sein Stolz es ihm erlauben würde, diese Aufgabe einem anderen zu überlassen.«
»Dann ist es gut.« Sie schwieg einen Moment. »Ich werde Anweisung geben, dass man ihm einen Stuhl hinstellt.«
»Ich bezweifle, dass er ihn benutzen wird.«
Sie seufzte. »Wir alle haben unsere eigene Art, Op fer zu bringen. Trotzdem wird er für ihn bereitstehen.«
Ich neigte zustimmend den Kopf und war entlassen. Als Nächstes kehrte ich in mein Zim mer zurück, um dort Ord nung zu schaffen und alles wegzuräumen, was noch vom Nachmittag herumlag und -stand. Doch als ich in den Gang einbog, bemerkte ich überrascht, wie die Tür zu meinem Zimmer sich langsam öffnete. Schnell drückte ich mich in eine andere Türnische und sah ei nen Moment später Justin und Serene aus meinem Zimmer herauskommen. Ich trat ihnen in den Weg.
»Im mer noch auf der Su che nach ei nem geeigneten Ort für euer Stelldichein?«, fragte ich mit ätzendem Unterton.
Beide erstarrten. Justin wich zu rück, als wollte er sich hinter Serene verstecken. Sie warf ihm einen strafenden Blick zu, dann schaute sie mich hochmütig an. »Wir haben es nicht nötig, uns vor dir zu rechtfertigen.«
»Nein? Obwohl ihr in mein Zim mer eingedrungen seid? Habt ihr etwas Interessantes gefunden?«
Justin atmete schnaufend. Ich sah ihm in die Augen und lächelte. Er machte den Mund auf und zu wie ein Fisch, brachte aber keinen Ton heraus.
»Wir haben es nicht einmal nötig, mit dir zu sprechen«, erklärte Serene. »Wir wissen, was du bist. Komm, Justin.«
»Ihr wisst, was ich bin? Das trifft sich, denn ich weiß auch, was ihr seid. Und ich bin nicht der Einzige.«
»Tiermensch!«, zischte Justin. »Du suhlst dich im Dreck der schmutzigsten Magie. Hast du geglaubt, unter uns einhergehen zu können und dabei unentdeckt zu bleiben? Kein
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