Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
schrägen Blick zu, und ich verwünschte meine Ungeduld. Keinesfalls durfte ich ihren Redefluss unterbrechen. Ich wollte alles hören.
»Nun …« Sie zögerte, aber mein wissbegieriger Gesichtsausdruck stellte für sie eine zu große Versuchung dar. »Wo rüber die Leute sich immer wundern, wenn eine Frau nicht emp fängt und dann, wenn ihr Gatte weg ist, verkündet sie auf einmal, sie erwarte ein Kind von ihm.« Sarah schaute sich misstrauisch nach ungewünschten Zuhörern um, doch alle Küchenkräfte schienen emsig bei der Arbeit zu sein, wenn ich auch nicht bezweifelte, dass dennoch ein paar Ohren in unsere Richtung gespitzt waren. »Weshalb ausgerechnet jetzt? So plötzlich. Und wenn sie wusste, dass sie schwanger ist, was hat sie sich dabei gedacht, mitten in der Nacht ins Schlachtgetümmel fortzureiten, wo Schwerter und Äxte geschwungen werden? Das ist ein seltsames Benehmen für eine Königin, die den Erben des Throns unter ihrem Herzen trägt.«
»Nun«, ich versuchte meiner Stimme einen milden Ton zu geben, »wenn das Kind erst da ist, wird es sich erweisen, wann es gezeugt wurde. Wer dann Lust hat, an den Fingern die Monde abzuzählen, kann sich ja den Spaß machen. Außerdem«, ich beugte mich vertraulich vor, »habe ich ge hört, dass ei nige ihrer Hofdamen vor ihrem Wegritt Bescheid wussten. Prinzessin Philia, zum Beispiel, und ihre Zofe Lacey.« Ich würde jetzt dafür sorgen müssen,
dass Philia sich rühmte, als eine der Ers ten in das süße Ge heimnis eingeweiht gewesen zu sein, und dass auch Lacey sich beim Gesinde mit ihrem Wissen hervortat.
»Ach, Prinzessin Philia.« Sarahs herablassender Ton zerstörte meine Hoffnung auf einen leichten Sieg. »Ich will ja nichts sagen, Fitz, aber sie kann manchmal schon etwas wunderlich sein. Lacey dagegen, ja, Lacey ist eine vernünftige Person. Aber sie redet nicht viel und hört auch nicht auf das, was andere reden.«
»Nun«, ich lächelte und kniff ver schwörerisch ein Auge zu, »aus der Quelle habe ich mein Wissen - lange, bevor wir nach Guthaven aufgebrochen sind.« Ich beugte mich noch weiter vor. »Frag ein we nig he rum. Ich wet te, du wirst erfahren, dass Königin Kettricken schon seit ei niger Zeit Himbeerblättertee gegen ihre Morgenübelkeit trinkt. Ich wette mit dir ein Silberstück, dass du bald zugeben musst, dass ich Recht habe.«
»Ein Silberstück? Als ob ich so etwas zu verschenken hätte! Aber ich werde herumfragen, Fitz - das ganz bestimmt. Und schäm dich, dass du diese große Neuigkeit nicht gleich mit mir geteilt hast. Wo ich dir immer so viel erzähle!«
»Nun gut, dann habe ich hier etwas für dich. Königin Kettricken ist nicht die Einzige, die Mutterfreuden entgegensieht.«
»Oh? Wer noch?«
Ich lächelte geheimnisvoll. »Noch kann ich es dir nicht sagen, aber du wirst die Erste sein, die davon erfährt. Versprochen.« Ich hatte keine Ahnung, wer von den Frauen in der Burg ein Kind erwarten könnte, aber nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit durfte ich da rauf hoffen, dass eine von ih nen mir unwissentlich dabei helfen würde, vor Sarah nicht als Lügner dazustehen. Ich musste mir mei ne alte Freundin gewogen halten, wenn ich weiterhin an ihrem Wissen teilhaben wollte. Sie nickte mir ahnungsvoll zu, und ich zwinkerte ihr zurück.
Die Rehkeule war fertig gewürzt. »Dod, nimm das und häng es an die Fleischhaken über dem größten Feuer. Ganz oben, ich will es durchgebraten haben und nicht verschmort. Mach hin! Kessel, wo ist die Milch, die du holen solltest?«
Ich stibitzte ihr Brot und Äpfel, bevor ich mich davonmachte. Einfache Kost, aber besser als nichts für jemanden, der so hungrig war wie ich. In mei nem Zim mer wusch ich mich, aß und legte mich aufs Bett. Vielleicht bot sich mir heute keine Gelegenheit mehr, mit dem König zu spre chen, aber für das Fest woll te ich ausgeruht und auf dem Posten sein. Dann kam mir der flüchtige Gedanke, zu Kettricken zu gehen, um ihr zu sagen, sie brauche noch nicht um Veritas zu trauern. Doch ich wusste, es würde mir nicht gelingen, sie lange genug von ih ren Hofdamen zu tren nen, um unter vier Augen mit ihr spre chen zu kön nen. Und angenommen, ich irrte mich? Nein. Erst wollte ich ganz sicher ge hen, denn auch dann war es noch früh genug, um es ihr zu sagen.
Später erwachte ich von einem Klopfen an meiner Tür. Ich lag einen Moment still, weil ich nicht ganz sicher war, ob ich wirklich etwas gehört hatte. Ich stand auf, um die Riegel zurückzuschieben und die
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