Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
Du darfst sie also nicht se hen. Wenn ich überhaupt etwas von Frauen verstehe, heißt das kei neswegs, dass sie dich nicht sieht. Dein Haar ist zottig wie das Winterfell eines Ponys, ich wet te, du hast seit ei ner Woche nicht das Hemd gewechselt, und du bist dünn wie ein Win terfohlen. So wirst du kaum er reichen, dass sie dich wieder zu respektieren beginnt. Iss endlich vernünftig, wasch dich jeden Tag und - in Edas Namen - verschaff dir etwas Bewegung, statt brütend in der Wachstube zu hocken. Setz dir Ziele und arbeite daraufhin.«
Ich nickte langsam. Er hat te Recht, aber … »Aber das alles nützt mir nichts, wenn Philia mir verbietet, mit Molly zu reden.«
»Auf die Dauer, mein Junge, geht es nicht da rum, was Philia will, sondern was Molly sagt.«
»Und König Listenreich«, sagte ich trocken.
Er hob fragend den Blick.
»Nach Philias Worten kann ein Mann nicht Vasall eines Königs sein und gleichzeitig von ganzem Herzen eine Frau lieben. ›Du kannst einem Pferd nicht zwei Sättel auflegen‹, hat sie mir gesagt. Das von einer Frau, die Gemahlin eines Thronfolgers war und zufrieden mit der Zeit, die er für sie erübrigen konnte, ob viel oder wenig.« Ich reichte Burrich das ausgebesserte Halfter.
Er war im Begriff gewesen, den Be cher zu he ben, jetzt stellte er ihn so hart auf den Tisch, dass der In halt über den Rand spritzte. »Das hat sie zu dir gesagt?«, fragte er heiser und mit einem bohrenden Blick.
Ich zuckte mit den Schultern. »Sie sagte, es wäre nicht ge recht, von Molly zu erwarten, dass sie sich mit den Brosamen an Zeit begnügt, die der König mir für mein eigenes Leben zugesteht.«
Burrich lehnte sich zu rück. Eine Rei he widerstreitender Gefühle spiegelte sich in sei nem Gesicht. Er schaute mit seitwärts gewandtem Kopf ins Feuer, dann wieder zu mir. Einen Moment lang sah es aus, als wollte er etwas sagen, dann aber rich tete er sich auf, stürzte den Inhalt seines Bechers hinunter und schob den Stuhl zurück. »Es ist zu still hier oben. Lass uns nach Burgstadt hinuntergehen. Einverstanden?«
Am nächsten Tag stand ich auf und machte mich trotz meines Brummschädels daran, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, nämlich, mich nicht wie ein liebeskranker Jüngling aufzuführen. Das Ungestüm und die Fahrlässigkeit eines Jungen waren der
Grund, dass ich sie verloren hatte, mit der Selbstdisziplin eines Mannes wollte ich sie nun zurückgewinnen.
Jeden Tag erhob ich mich in aller Frühe, sogar noch bevor der erste Küchenjunge sich den Schlaf aus den Au gen rieb. In der Abgeschiedenheit meines Zimmers absolvierte ich einige Dehnübungen und anschließend ein striktes Programm im Schattenfechten mit einem alten Stab. Ich gönnte mir keine Pause, bis ich schweißüberströmt und benommen war. Dann ging ich hinunter, um ein Dampfbad zu nehmen. Langsam, ganz lang sam, gewann ich so meine frühere Ausdauer zurück. Ich nahm an Gewicht zu, bekam wieder Muskeln, und allmählich passten auch die neuen Kleider, die Mistress Hurtig mir aufgezwungen hatte. Nach wie vor zitterte ich manchmal am ganzen Körper, aber schwere Anfälle waren nur noch selten, und jedes Mal gelang es mir, in mein Zimmer zu flüchten, bevor die Symptome allzu deutlich zutage traten. Philia sagte mir, ich sähe frischer aus, während Lacey Freude daran hatte, mich ›ordentlich herauszufüttern‹. Ich fühlte mich, als wäre ich wieder ganz ich selbst.
Ich aß jeden Morgen mit den Soldaten, wo die Mengen, die man vertilgte, wichtiger waren als Manieren. Nach dem Frühstück stattete ich dem Stall einen Besuch ab, um Rußflocke bei einem Ausritt durch den Schnee Bewegung zu verschaffen. Anschließend war es eine besondere Freude, sie eigenhändig zu versorgen. Vor unseren unseligen Erlebnissen im Bergreich hatten Burrich und ich uns wegen meines Gebrauchs der alten Macht überworfen, ich durfte deswegen damals die Ställe nicht mehr betreten. Daher bedeutete es für mich nun eine wah re Ge nugtuung, mein Pferd trockenzureiben und ihm selbst die Krippe zu füllen. Ich genoss das vertraute Tun und Treiben, den warmen Tiergeruch, dazu die Lästereien und Klatschgeschichten, die in ihrer Deftigkeit so nur die Stallburschen zum Besten geben konnten. Wenn es sich einrichten
ließ, nahmen Flink oder Bur rich sich ein paar Mi nuten Zeit, um stehenzubleiben und sich mit mir zu unterhalten; an anderen, arbeitsreichen Tagen empfand ich die bittersüße Befriedigung, sie in der Diskussion über den an haltenden Husten
Weitere Kostenlose Bücher