Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
noch nicht schnell genug, trieb er das Tier noch zusätzlich mit der Gerte an.« Sie konnte ihre Bewunderung für seinen Wagemut nicht verhehlen.
Der halsbrecherische Galopp über unbekanntes Terrain hatte Kettricken Angst ge macht, deshalb hatte sie sich be müht, ihr Pferd zu zügeln. Doch als sie bemerkte, dass weder die Straße noch ihr Gefolge mehr zu sehen waren und sie auch immer weiter hinter Edel zu rückblieb, ließ sie ih rem Pferd, in der Hoff nung, ihn einzuholen, freien Lauf. Mit dem zwangsläufigen Ergebnis, dass sie, als der Sturm losbrach, gänzlich die Orientierung verloren hatte. Sie machte kehrt, um auf ih rer eigenen Fährte zurückzureiten, aber Schnee und Wind hatten bereits alle Spuren gelöscht. Zu guter Letzt wusste sie sich kei nen anderen Rat, als es Federleicht zu überlassen, den Heimweg zu finden, und vermutlich wäre sie wohlbehalten nach Bocksburg zurückgekehrt, hätten sich nicht diese Wegelagerer auf sie gestürzt.
»Entfremdete«, sagte ich ruhig.
»Entfremdete«, wiederholte sie nachdenklich. »Sie haben kein Herz mehr. So wurde es mir erklärt.« Ich sah nach vorn auf die Straße, doch ich fühlte ihren Blick. »Bin ich ein dermaßen unzulängliches OPFER, dass es hier Menschen gibt, die meinen Tod wünschen?«
Aus der Ferne erklang der Ton von Hörnern. Suchtrupps.
»Sie hätten sich auf jeden gestürzt, der des Wegs gekommen wäre«, antwortete ich. »Ihnen war nicht klar, dass sie ihre zukünftige Königin überfallen. Ich bezweifle sehr, dass sie überhaupt wussten,
wer Ihr seid.« Ich widerstand der Versuchung, diesen Worten hinzuzufügen, dass Edel diesen mildernden Umstand nicht für sich in Anspruch nehmen könne. Selbst wenn man keine böse Absicht unterstellte, die Königin derart in Gefahr zu bringen, hatte er doch nichts getan, um es zu verhindern. Ich glaubte nicht daran, dass der pure Jagdeifer ihn dazu hingerissen hatte, in der Abenddämmerung über Stock und Stein einem Fuchs nachzusetzen. Er hatte gewollt, dass sie sich verirrte. Und sein Plan war aufgegangen.
»Ich glaube, mein Ge mahl wird sehr zornig auf mich sein«, sagte sie kleinlaut wie ein Kind.
Als hätte sie es geahnt, umrundeten wir die Hügelflanke und sahen Reiter mit Fackeln auf uns zu kommen. Wenige Minuten später waren wir von ih nen umringt. Sie waren die Vorhut eines größeren Trupps, und sofort galoppierte ein Mädchen den Weg zurück, um dem Kronprinzen zu melden, dass seine Gemahlin gefunden sei. Die Soldaten erschraken und fluchten über das Blut, das im Licht der Fackeln noch an Federleichts Hals glänzte, doch Kettricken versicherte ihnen ruhig, es sei nicht ihres. Sie berichtete gefasst von dem Überfall der Entfremdeten und wie sie sich gegen sie verteidigt hatte. An den Gesichtern ringsum konnte ich wachsende Bewunderung für sie ablesen. Ich erfuhr erst jetzt durch ihren Bericht, dass der verwegenste der Angreifer von einem Baum auf sie herabgesprungen war. Ihn hatte sie als Ersten getötet.
»Vier abgemurkst, und sie hat dabei keinen einzigen Kratzer abgekriegt!«, begeisterte sich ein vernarbter Veteran und fügte eilig hinzu: »Bitte um Vergebung, Hoheit, es war nicht bös’ gemeint.«
»Es hätte auch anders ausgehen können, wäre nicht Fitz gekommen, um mir beizustehen«, erklärte Kettricken zum Schluss. Es trug ihr neben der Bewunderung auch noch Respekt ein, dass sie sich nicht in ihrer Großtat sonnte, sondern mir mein Recht zukommen ließ.
Man beglückwünschte sie überschwenglich und sprach zornig davon, am nächsten Tag die Wälder um Bocksburg von Gesindel zu säubern. »Es ist eine Schande für uns Soldaten, dass unsere eigene Königin nicht ohne Ge fahr für Leib und Leben die Mau ern der Burg verlassen kann!«, erklärte eine Frau. Sie legte die Hand an den Griff ihres Schwertes und gelobte, sie werde nicht ruhen, bis es das Blut Entfremdeter gekostet habe. Mehrere andere folgten ihrem Beispiel. Die Stim mung war lebhaft und hob noch weiter an. Die Aufregung und die Erleichterung darüber, die Königin unversehrt gefunden zu haben, berauschte die Leute wie durch Wein. Der Rückweg glich einem Triumphzug, bis Veritas eintraf. Er tauchte in gestrecktem Galopp aus dem Dunkel der Nacht auf, im Sattel eines erschöpften Pferdes, das schnell und weit hatte laufen müssen. Demnach dauerte die Suche schon geraume Zeit, und ich konnte nur raten, wie viele Meilen Veritas geritten war, seit ihn die Vermisstmeldung seiner Gemahlin aufgeschreckt hatte.
»Wie
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