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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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einer großen und prächtigen Eingangshalle. Beleuchtet wurde die Pracht von schillernd funkelnden Kristallkronleuchtern, die an vergoldeten Ketten von der Decke hingen. Hunderte Kerzen brannten darin. Statuen reihten sich an den Wänden, säumten in Abständen den Weg zwischen Portal und Treppe; dem Anschein nach handelte es sich um Edels Vorfahren mütterlicherseits. Trotz der Gefahr, in der ich schwebte, war ich einen Augenblick lang von der Großartigkeit des Raumes überwältigt. Dann hob ich den Blick und sah die breite Treppe, die nach oben führte. Dies war die Haupttreppe der Vorhalle, also alles andere als die Gesindetreppe, die ich gesucht hatte. Zehn von Edels Schranzen hätten nebeneinander hinaufschreiten können, ohne sich ihre Rüschen und Spitzen zu zerdrücken. Die Geländer waren aus stark gemasertem Wurzelholz gearbeitet und schimmerten in einem satten dunklen Braun. Ein dicker Teppichläufer floss die Stufen hinab wie ein blauer Wasserfall.
    Vorläufig war hier noch keine Menschenseele zu sehen. Ich verlor keine Zeit, sondern lief leise über den spiegelglatten Boden und die Prachttreppe hinauf. Ein spitzer Schrei ließ mich innehalten, offenbar hatte man Verde entdeckt. Auf dem ersten Absatz angelangt, hörte ich von rechts Stimmen und eilige Schritte näher kommen, also wandte ich mich nach links. Eine Tür verhieß mir Rettung. Ich presste das Ohr dagegen, hörte nichts und schlüpfte auf gut Glück hindurch, viel schneller, als es sich erzählen lässt. Ich stand in dem dunklen Raum, der Puls schlug mir bis zum Hals, und ich dankte Eda und El und allen Göttern, die es sonst noch geben mochte, dass die Tür nicht verschlossen gewesen war.
    Von unten ertönten Rufe, und von oben polterten Stiefel die Treppe hinunter. Es verging nur kurze Zeit, dann hörte ich Anweisungen einer befehlsgewohnten Stimme. Ich versteckte mich hinter der Tür und wartete. Meine Hände zitterten, und ich wagte kaum zu atmen. Eine Welle finsterer Angst durchflutete mich. Ich fühlte den Boden unter meinen Füßen schwanken und ging schnell in die Hocke, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Alles drehte sich. Ich machte mich klein, schlang die Arme um den Leib und kniff die Augen fest zu, als würde ich dadurch unsichtbar. Eine zweite Welle der Angst spülte über mich hinweg. Kraftlos sank ich zur Seite, bis ich zusammengekrümmt auf dem Boden lag und nur noch ein stimmloses Winseln meiner Kehle entfuhr. Ich würde sterben. Ich würde sterben und sie alle niemals wiedersehen, nicht Molly, nicht Burrich, nicht meinen König. Der falsche Weg, ich hatte den falschen Weg beschritten, ich hätte zu Veritas gehen sollen! Es drängte mich danach, laut aufzuschreien und zu weinen, denn ich wusste plötzlich mit absoluter Gewissheit, dass es kein Entkommen mehr gab. Man würde mich finden und mich unter unendlichen Qualen töten. Ich verspürte das beinahe unwiderstehliche Verlangen aufzuspringen und mit dem blanken Schwert in der Faust den Soldaten entgegenzustürmen, damit sie mich nur schnell töteten.
    Ruhig, nimm dich zusammen. Sie versuchen, dich aus deinem Versteck zu treiben . Veritas’ Gabenstimme war leiser als ein Hauch. Ich biss mir auf die Lippen und war noch so weit bei Verstand, dass ich mich still verhielt und lauschte.
    »Ich war mir ganz sicher«, sagte draußen ein Mann. »Nein. Der ist längst weg. Wenn sie ihn überhaupt finden, dann irgendwo in den Schlossanlagen. Niemand hätte uns beiden standhalten können. Wäre er noch im Schloss, wäre er aus seinem Loch hervorgekommen.«
    »Ich sage dir, da war etwas.«
    »Das bildest du dir ein«, widersprach die andere Stimme zunehmend gereizt. »Ich habe nichts gespürt.«
    »Vergewissere dich noch einmal.«
    »Nein, reine Zeitverschwendung. Ich bin überzeugt, dass du dich geirrt hast.« Obwohl sie leise sprachen, war der Unmut des ersten Mannes nicht zu überhören.
    »Ich würde deine Überzeugung gern teilen, aber ich kann es nicht. Wenn sich herausstellt, dass er uns entwischt ist, haben wir Will den Vorwand geliefert, nach dem er schon so lange sucht.« Auch die Stimme des zweiten Mannes klang ungehalten, doch gleichzeitig hatte sie einen Unterton von jämmerlichem Selbstmitleid.
    »Will und nach einem Vorwand suchen? Der nicht. Er macht uns bei jeder Gelegenheit vor Edel schlecht. Wenn man ihn reden hört, könnte man glauben, er hätte als Einziger im Dienst des Königs Opfer gebracht. Eine Kammerzofe hat mir gestern erzählt, dass er inzwischen auf jede

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