Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Zurückhaltung verzichtet. Dich nennt er fett, und mich beschuldigt er jeden Lasters, welches ein Mensch nur haben kann.«
»Wenn ich nicht die Statur eines Soldaten habe, dann liegt es daran, dass ich eben auch kein Soldat bin. Ich diene dem König nicht mit meinem Körper, sondern mit meinem Verstand. Soll er sich doch selbst einmal anschauen, bevor er an uns mit seinem einen guten Auge herummäkelt. Das Selbstmitleid trat immer mehr in den Vordergrund. Burl, fiel es mir plötzlich ein. Das war Burl, der mit Carrod sprach.
»Nun, ich bin sicher, dass er uns wegen heute Abend keinen Vorwurf machen kann. Hier ist nichts Ungewöhnliches zu spüren. Er hat dich schon so weit gebracht, dass du vor jedem Schatten erschrickst und hinter jeder Ecke Gefahren lauern siehst. Beruhige dich. Das ist jetzt die Angelegenheit der Wachen, nicht unsere. Wahrscheinlich stellt sich bald heraus, dass ein eifersüchtiger Ehemann es getan hat, oder einer von seinen Kameraden war ihm nicht wohlgesonnen. Man munkelt, Verde hätte erstaunlich viel Glück beim Würfeln gehabt. Dass er im Spielzimmer liegt, könnte ein Fingerzeig dafür sein. Wenn du mich jetzt entschuldigst, kehre ich zu der heiteren Gesellschaft zurück, die ich deinetwegen verlassen musste.«
»Geh, wenn das alles ist, woran du denken kannst«, sagte der andere mürrisch. »Doch wenn du einmal einen Augenblick Zeit erübrigen könntest, dann wäre es, so glaube ich, gut, wenn wir uns einmal zusammensetzen und beraten würden.« Nach kurzem Schweigen fügte er hinzu: »Ich bin fast entschlossen, jetzt gleich zu ihm zu gehen. Soll er sich darum kümmern.«
»Du wirst dich nur zum Narren machen. Deine ständige Schwarzseherei ist eine Folge seines Einflusses. Soll er seine Warnungen und düsteren Prophezeiungen ausstoßen und sein Leben damit zubringen, auf das Schlimmste gefasst zu sein. Wenn man ihm so zuhört, dann ist seine Wachsamkeit alles, was der König braucht. Er versucht, uns diese Furcht vor einer nahen Bedrohung einzupflanzen, und dein Jammern bereitet ihm vermutlich große Befriedigung. Lass ihn nicht all deine Gedanken sehen!«
Eine Person entfernte sich mit raschen, bestimmten Schritten. Das Rauschen in meinen Ohren ließ ein wenig nach. Nach einer Weile hörte ich auch den zweiten Mann fortgehen; er bewegte sich schwerfälliger und murmelte vor sich hin. Als auch seine Schritte verklungen waren, fühlte ich mich wie von einer ungeheuren Last befreit. Ich schluckte trocken und überlegte, was ich jetzt tun sollte.
Durch hohe Fenster fiel ein wenig Helligkeit in das Gemach. Ich konnte eine Bettstatt erkennen. Unter der zurückgeschlagenen Decke sah man die weißen Laken schimmern. Es war leer. In einer Ecke erhob sich die dunkle Masse eines Schranks, und auf einem Waschtisch standen Kanne und Schüssel.
Ich atmete tief ein und aus, um mich zu beruhigen, dann stand ich leise auf. Ich musste Edels Privatgemächer finden. Vermutlich befanden sie sich in diesem Stockwerk, während die Dienerschaft in Kammern unter dem Dach hauste. Weise Voraussicht hatte mich bis hierher gebracht, aber vielleicht war es jetzt an der Zeit, etwas kühner vorzugehen. Ich trat zu dem Kleiderschrank in der Ecke und öffnete ihn. Wieder einmal lächelte mir das Glück entgegen, denn der Bewohner dieses Zimmers war ein Mann. Bei der Suche zwischen den Kleidungsstücken musste ich mich nur auf meinen Tastsinn verlassen, außerdem war Eile geboten. Man konnte nicht wissen, wann der rechtmäßige Eigentümer, der sich zu dieser Zeit wahrscheinlich auf dem Ball amüsierte, Sehnsucht nach seinem Bett verspürte. Nach einigem Wühlen fand ich ein Hemd aus hellem Stoff mit etwas zu viel Rüschen an Kragen und Ärmeln, aber wenigstens waren diese lang genug. Ich schlüpfte in das Hemd hinein und anschließend in eine etwas dunkler gefärbte Hose, die sich zu weit anfühlte. Ich hielt sie mit dem Gürtel in der Taille fest und hoffte, dass sie mir nicht gar zu auffällig um die Beine schlotterte. Als ich mich genauer umschaute, entdeckte ich einen Topf mit Pomade. Ich nahm davon, um mir mit den Fingern das Haar nach hinten zu kämmen, dann band ich es im Nacken neu zusammen. Das Kopftuch brauchte ich nicht mehr. Die meisten der Höflinge, die ich bisher gesehen hatte, trugen wie Edel geölte Locken, doch einige der jüngeren gaben der traditionellen Haartracht den Vorzug. Ich durchsuchte etliche Schubladen, fand eine Art Medaillon an einer Kette und hängte es um. Ich griff mir auch einen
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