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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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lass ab von diesem Wahnsinn. Flieh. Komm zu mir.
    Ich kann nicht. Es ist zu spät. Es gibt kein Entrinnen mehr. Löst Euch von mir, man wird Euch sonst entdecken .
    Mich entdecken? Veritas’ Gabe dröhnte plötzlich in meinem Kopf wie Donner in einer Sommernacht, wie eine tosende Sturmflut. Ich hatte ihn bereits einmal so erlebt. Voller Zorn verausgabte er seine gesamte Gabenkraft in einem gewaltigen Ausbruch, ohne zu bedenken, was mit ihm danach geschehen mochte. Ich spürte Wills überraschtes Zögern, dann stürzte er sich in den Strom, griff hinaus nach Veritas und versuchte, sich an ihn zu heften.
    Ich will euch etwas offenbaren, elende Schlangenbrut! Und der gerechte Zorn meines Königs schlug auf die Elenden nieder wie ein Blitz.
    Veritas’ Gabenattacke erfolgte mit einer Wucht, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Sie war nicht gegen mich gerichtet, dennoch fiel ich auf die Knie. Ich hörte Carrod und Burl laut aufheulen, worauf ihnen aus tiefer Kehle weitere schreckliche Entsetzensschreie entfuhren. Plötzlich klärten sich mein Blick und meine Sinne, und ich sah den Raum, wie er zuvor gewesen war. Doch jetzt lag Will besinnungslos auf dem Boden ausgestreckt. Vielleicht vermochte dabei nur ich zu verspüren, wie ungeheuer viel von seiner knapp bemessenen Kraft Veritas aufwenden musste, um mich aus meiner Notlage zu retten. Die Soldaten taumelten und waren vorläufig außer Gefecht gesetzt. Ich fuhr herum, sah, wie die Tür sich hinter mir öffnete und weitere Bewaffnete hereinstürmten. Drei Schritte bis zum Fenster...
    KOMM ZU MIR!
    Der Befehl ließ mir keine weitere Wahl. Mit dem reinen Feuer der Gabe brannte er sich in mein Gehirn, verschmolz mit meinem Atem und dem Schlag meines Herzens. Ich musste zu Veritas gehen. Es war nicht nur ein Befehl, sondern auch ein Hilferuf. Mein König hatte seine ganze Stärke geopfert, um mich zu retten.
    Vor den Fenstern hingen Vorhänge aus schwerem Stoff, die Scheiben dahinter waren aus dickem Glas. Weder das eine noch das andere konnten mich jedoch aufhalten, als ich zu diesem Fenster hinaussprang und dabei hoffte, dass unten wenigstens etwas Buschwerk meinen Aufprall dämpfte. Doch schon im nächsten Augenblick war ich inmitten eines Regens von Glassplittern auf dem Rasen gelandet. Statt wie erwartet aus dem zweiten Stock war ich aus einem Fenster im Erdgeschoss hinausgesprungen. Ich nahm mir den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um Will im Stillen endlich meine Anerkennung dafür auszusprechen, wie brillant er mich getäuscht hatte, bevor ich mich torkelnd erhob und mein Heil in der Flucht suchte.
    Die Umgebung des Bedienstetentrakts war mehr als spärlich beleuchtet. Ich war einfach nur dankbar für diese Dunkelheit. Denn hinter mir hörte ich bereits wieder vereinzelte Rufe, dann Burl, der mit sich überschlagender Stimme Befehle erteilte. Gleich würden die Verfolger auf meiner Fährte sein. Ein Entkommen zu Fuß war unmöglich. Ich lief auf den sich tiefschwarz vom klaren Nachthimmel abhebenden Komplex des herrschaftlichen Marstalls zu.
    Der Aufbruch der Festgäste hatte emsige Betriebsamkeit ausgelöst. Die meisten der Stallburschen befanden sich wahrscheinlich an der Vorderseite des Schlosses und hielten die Pferde. Die Tore zu den Stallungen standen weit offen, und drinnen brannten Laternen. Als ich hindurchstürmte, hätte ich beinahe eine Stallhelferin umgerannt. Sie konnte nicht älter als zehn Jahre alt sein und war ein mageres, sommersprossiges Mädchen. Beim Anblick meiner gezückten Waffen stieß sie einen spitzen Schrei aus.
    »Ich will mir nur ein Pferd nehmen«, beruhigte ich sie. »Keine Angst, ich tue dir nichts.« Nacheinander schob ich mein Messer und das Schwert in die Scheide. Die Kleine wich langsam vor mir zurück. Plötzlich warf sie sich herum. »Flink! Flink!« Während sie davonlief, rief sie mit schriller Kinderstimme seinen Namen. Ich hatte aber keine Zeit, mich darum zu kümmern.
    Drei Boxen weiter entdeckte ich Edels eigenen Rappen, Pfeil, der mich über seine Box hinweg neugierig ansah. Ich ging langsam auf ihn zu und streichelte seine Nase, in dem behutsamen Versuch, unsere Bekanntschaft zu erneuern. Es mochte acht Monate her sein, seit er mich zuletzt gewittert hatte, doch ich kannte ihn seit dem Tag seiner Geburt. Er knabberte an meinem Kragen, und die Tasthaare seiner Nüstern kitzelten mich am Hals. »Wie wär’s, alter Junge, unternehmen wir zusammen einen nächtlichen Ausritt? Ganz wie in alten Zeiten.« Ich öffnete die

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