Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
waren. Fraglos würden die Vorrichtungen in Edels neuem Richtplatz und Rund noch ausgeklügelter und wirkungsvoller sein. Ich ließ Pfeil in Trab fallen und ritt an dieser schauderhaften Richtstätte vorbei, während ich darum betete, von einem solchen Ende verschont zu bleiben.
    Dann wurde ich plötzlich wie von einem schmutzigen Nebel gepackt. Voller Panik glaubte ich, Will würde mit der Gabe nach mir greifen, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Doch im Grunde standen meine Mauern so fest wie nur möglich, und ich bezweifelte zudem, dass er oder ein anderer so bald nach Veritas’ Attacke seine Kraft zurückgewonnen hatte. Nein, was hier in mein Bewusstsein einsickerte, das entstammte einer tieferen, primitiveren Quelle, die ursprünglich reines Wasser hervorgebracht hatte, sich jetzt aber durch einen ungeheuren Frevel verseucht und zu reinem Gift verwandelt hatte. Diese Kraft durchflutete mich mit all ihrem Hass, ihren Schmerzen, ihrer erdrückenden Enge und ihrem Hunger. All das verschmolz zu einem qualvollen Verlangen nach Freiheit und Rache. In mir erwachte wieder alles, was ich je in Edels Kerker gefühlt hatte.
    Dies alles kam von den Käfigen am Rande des Platzes her. Dort herrschte ein betäubender Gestank an schwärenden Wunden, Urin und verfaultem Fleisch. Doch selbst dieser erbärmliche Geruch war nichts gegen den Schwall der Alten Macht, der mir entgegenschlug wie Höllenglut. Hier waren wilde Tiere in Käfigen eingesperrt, um bald als unschuldige Henker von Verbrechern und Entfremdeten zu fungieren, die bald der Allmacht Edels zugeführt wurden. Da war ein Bär mit sperrigem Maulkorb, der hinter seinen Gittern ruhelos auf und ab wanderte. Den Nachbarkäfig teilten sich zwei große exotische Katzen, die sich bei ihrem Wüten gegen ihr Gefängnis offenbar Reißzähne und Krallen abgebrochen hatten und große Schmerzen litten, was ihr Verlangen nach Freiheit allerdings nicht minderte. Ich sah auch einen mächtigen Stier mit übergroßen Hörnern. In seinem Fleisch steckten mit Bändern geschmückte Pfeile, und aus seinen Wunden sickerte Eiter über das Fell.
    All die Qual der gepeinigten Kreaturen hallte in mir wider und schrien nach Erlösung. Doch die massiven Ketten und Schlösser an jeder Käfigtür waren allzu deutlich. Deshalb ritt ich an ihnen vorüber, bis sich die Woge ihrer Verzweiflung und ihres Elends dennoch an meinem Bewusstsein brach und mich überschwemmte.
    Ich zügelte Pfeil zum Stehen. Ich konnte diese Geschöpfe doch nicht ihrem Schicksal überlassen. Komm zu mir! - Der von der Gabe gesandte Befehl ließ mir jedoch keine Wahl. Ich trieb Pfeil also wieder an, fühlte unter mir sein Zittern und kehrte diesem Ort der Verdammnis den Rücken. Dennoch fügte ich der Liste von Edels Schandtaten eine weitere hinzu und gelobte mir, auch dafür eines Tages mit ihm abzurechnen.
    In der Morgendämmerung erreichten wir den äußeren Rand der Stadt. Ich hätte nie geglaubt, dass Fierant so groß sein könnte. An einem träge dahinplätschernden Bach, der in den Vin mündete, stieg ich von Pfeils Rücken und ließ ein wenig Wasser fassen. Er durfte seinen Durst jedoch erst löschen, nachdem ich ihn zur Abkühlung etwas auf und ab geführt hatte. Ich dachte angestrengt nach. Wahrscheinlich kontrollierte man die Straße nach Süden, weil man mit meinem Versuch rechnete, ins Herzogtum Bock zurückzukehren. Mein Vorsprung war zwar beträchtlich, und solange ich in meiner Flucht nicht nachließ, hatte ich gute Aussichten zu entkommen. Betrübt dachte ich allerdings an mein klug verstecktes Bündel, das nun niemals abgeholt werden würde. Meine Winterkleidung, meine Decke, mein Umhang - sie waren auf Nimmerwiedersehen verloren. Ob Edel nun Flink dafür büßen lassen würde, dass ich das Pferd gestohlen hatte? Ich erinnerte mich an Flinks hassverzerrten Blick, bevor er davongelaufen war. Wie gut, dass ich nicht der Versuchung nachgegeben hatte, Molly aufzuspüren. Um keinen Preis wollte ich den gleichen Blick aus ihren Augen herauslesen. Überdies verfolgte mich die stumme Qual der Tiere, die ich durch meine Gabe der Alten Macht mitempfunden hatte. Doch all diese Überlegungen wurden von meiner zornigen Enttäuschung verdrängt, dass mein Anschlag auf Edel erfolglos geblieben war. Umsonst die Gifte, die ich in seinem Ankleidezimmer verteilt hatte? Würde es mir doch noch gelingen, ihn zu töten? Doch selbst diese Überlegungen wurden von Veritas’ Befehl überlagert: Komm zu mir , hatte er gesagt, und

Weitere Kostenlose Bücher