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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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waren zwei erwachsene Frauen und ein Knabe. Sie ritten auf zähen, kleinen Pferden, die nur mit einem Halfter gezäumt waren. Alle drei hatten blonde Haare und ihre Haut war von der Sonne dunkelbraun gebrannt. Die tätowierten Streifen im Gesicht des Jungen ähnelten der Zeichnung einer getigerten Katze. Bei ihrem Auftauchen machte die Karawane Halt. Madge breitete ein Tuch auf dem Boden aus und brühte einen besonderen Tee, den sie ihnen zusammen mit kandierten Früchten und Malzzuckerkuchen anbot. Es wurden keine Münzen getauscht. Offenbar ging es nur um die Demonstration von Gastfreundschaft und freundschaftlichem Einvernehmen. Aus dem Verhalten der Nomaden schloss ich, dass sie Madge bereits seit langem kannten und nun ihren Sohn darauf vorbereiteten, das bestehende Arrangement mit der Durchzugsberechtigung fortzuführen.
    Aber die meisten Tage verliefen nach immer demselben eintönigen Schema. Wir standen auf, wir aßen, wir nahmen die nächste Etappe in Angriff. Wir machten Halt, wir aßen, wir schliefen. Eines Tages ertappte ich mich bei dem Gedanken, ob Molly unserer Tochter beibringen würde, Kerzen zu machen und Bienenstöcke anzulegen. Was konnte ich sie lehren? Die Herstellung und Anwendung von Giften und Strangulationstechniken? Nein. Schreiben und Rechnen sollte sie von mir lernen und alles, was Burrich mir je über Pferde und Hunde beigebracht hatte. Das war der Tag, an dem ich merkte, dass ich wieder nach vorn und in die Zukunft schaute, um für ein Leben nach Veritas zu planen. Meine Tochter war jetzt noch ein Säugling, der an Mollys Brust lag und mit großen Augen auf eine für sie neue Welt schaute. Sie war noch zu klein, um zu wissen, dass etwas fehlte - ihr Vater. Ich würde bei ihnen sein, bevor sie lernte ›Papa‹ zu sagen, rechtzeitig genug, um ihre ersten Schritte zu erleben.
    Dieser Entschluss veränderte etwas in mir. Nie hatte ich mich auf etwas so sehr gefreut. Diesmal war ich nicht unterwegs, um den Tod zu bringen, sondern mir war ein Leben anvertraut, und ich malte mir aus, wie ich Wissen und Fertigkeiten an sie weitergab, stellte mir vor, wie sie zu einem klugen und schönen Mädchen heranwuchs, und wie sie ihren Vater liebte, dabei aber nicht wusste noch je erfahren würde, welches andere Leben er einmal geführt hatte. Sie kannte mich nicht mit einem glatten Gesicht und einer geraden Nase. Für sie würde ihr Vater immer so ausgesehen haben wie er vor ihr stand. Daran lag mir viel. Also würde ich Veritas’ Ruf folgen, weil ich nicht anders konnte, weil er mein König war, weil ich ihn liebte und weil er mich brauchte. Doch ihn zu finden bezeichnete nun nicht mehr das Ende meiner Reise, sondern den Anfang. Hatte ich meine Pflicht erfüllt, konnte ich umkehren und mich auf den Weg nach Hause machen. Nach Hause. Für eine Zeitlang vergaß ich sogar Edel.
    Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf, wenn ich hinter den Schafen herwanderte, in ihrem Staub und Gestank, und hinter dem Tuch über Mund und Nase mit schmalen Lippen lächelte. Ich glaube, ich spürte jede einzelne Meile, die uns trennte. Einsamkeit fraß mich auf. Ich sehnte mich danach, jede Einzelheit meiner Liebsten mitzuerleben. Jede Nacht, jeder ungestörte Augenblick war eine Versuchung, mit der Gabe hinauszugreifen. Doch ich verstand mittlerweile Veritas’ Mahnung zur Vorsicht. Wenn ich zu Molly und Burrich dachte, brachte ich vielleicht ungewollt Edels Zirkel auf ihre Spur, und Edel würde nicht zögern, meine Familie als Druckmittel gegen mich zu verwenden. Das sagte mir der Verstand. Trotzdem hungerte ich nach Neuigkeiten von ihnen, wagte jedoch nicht, diesen Hunger zu stillen.
    Wir erreichten eine Siedlung, die fast ein Dorf zu nennen war. Sie war wie ein Hexenkreis von Pilzen um einen Quellteich aus dem Boden gesprossen und besaß eine Herberge, eine Schänke und sogar etliche Kaufmannsläden, allesamt auf die Bedürfnisse von Reisenden ausgerichtet. Um die Mittagsstunde trafen wir ein, und Madge verkündete, wir würden hier eine längere Rast einlegen und erst am nächsten Morgen weiterziehen. Niemand erhob ernsthafte Einwände. Nachdem wir die Tiere getränkt hatten, errichteten wir am Ortsrand unser Lager. Der Maestro fasste den Entschluss, den Aufenthalt zu seinem Vorteil zu nutzen und gab in der Schänke und im Wirtshaus bekannt, dass seine Truppe für die Bevölkerung gerne eine Vorstellung geben wolle, wobei klingende Spenden natürlich gerne willkommen seien. Merle hatte bereits eine Ecke der Schänke

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