Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
sehen stand ein kleines Haus aus Feldsteinen mit einem Grassodendach. Aus dem Schornstein stieg eine dünne Rauchsäule und wurde gleich vom Wind verweht. Auf dem Koppelzaun saß ein Mann, der an einem Stück Holz herumschnitzte. Er hob den Blick, schien uns nicht als bedrohlich wahrzunehmen und ließ uns wortlos an sich vorbei zur Tür der Hütte gehen. Gleich daneben gurrten und pickten fette Tauben in einem Bretterverschlag. Merle klopfte an, doch angesprochen wurden wir von einem Mann, der gleich darauf um die Hausecke bog. Er hatte dickes, braunes Haar und blaue Augen, und seine Kleidung war die eines Bauern. In der Hand trug er einen Eimer mit frisch gemolkener Milch. »Wen sucht Ihr?«, begrüßte er uns.
»Nik«, antwortete Merle.
»Ich kenne keinen Nik.« Der Mann stieß die Tür auf und trat in die Hütte. Merle folgte ihm dreist, und ich ging - weit weniger forsch - hinterher. Meine Hand lag am Gürtel, in der Nähe des Schwertgriffs, aber nicht zu nahe, um nichts zu provozieren.
In der Hütte brannte ein Feuer. Der Rauch zog teils durch den Kamin ab, teils sammelte er sich in Schwaden unter dem Dach. Ein Junge und ein geflecktes Zicklein teilten sich ein Strohlager in der hinteren Ecke. Er staunte uns mit großen blauen Augen an, gab jedoch kein Wort von sich. Von den Dachbalken hingen geräucherte Schinken und Speckseiten herab. Der Mann trug die Milch zum Tisch, wo eine Frau dicke gelbe Rüben schnetzelte, stellte den Eimer neben ihr ab und drehte sich dann zu uns herum.
»Ich glaube, Ihr seid im falschen Haus. Versucht es ein Stück weiter die Chaussee hinunter. Nicht im nächsten Haus, dort wohnt Pelf. Aber im übernächsten vielleicht.«
»Herzlichen Dank, das werden wir tun.« Merle lächelte von einem zum anderen und ging zur Tür. »Kommst du, Tom?«, fragte sie mich über die Schulter hinweg. Ich verabschiedete mich mit einem Kopfnicken und folgte ihr aus dem Haus und den Pfad entlang. Als wir außer Hörweite waren, erkundigte ich mich: »Und was nun?«
»Ich bin nicht ganz sicher. Nach dem, was ich belauscht habe, würde ich sagen, wir gehen zu Pelfs Haus und fragen nach Nik.«
»Was du belauscht hast?«
»Du glaubst doch nicht, dass ich persönliche Beziehungen zu Schmugglern unterhalte, oder? Ich war im öffentlichen Bad. Da unterhielten sich zwei Frauen, die als Pilgerinnen zu Edas Schrein in den Bergen unterwegs waren. Eine sagte, das wäre möglicherweise das letzte Bad für lange Zeit, worauf die andere meinte, das sei ihr gleich, wenn sie nur endlich Blauer See verlassen könnten. Dann sprachen sie darüber, welcher Treffpunkt mit den Schmugglern verabredet sei.«
Ich hielt mich mit Kommentaren zurück, doch vermutlich sprach mein Gesichtsausdruck Bände, denn Merle fragte spitz: »Hast du etwa einen besseren Einfall? Entweder haben wir Glück oder nicht.«
»Vielleicht haben wir sogar das Glück, dass man uns die Kehle durchschneidet.«
»Dann geh doch zurück in die Stadt und versuche selbst, es besser anzustellen.«
»Ich glaube, wenn wir das täten, dann würde der Mann, der uns inzwischen folgt, ganz bestimmt zu der Auffassung kommen, dass wir Spitzel sind und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Besuchen wir Pelf und warten ab, was dabei herauskommt. Nein, jetzt nicht umschauen.«
Wir kehrten zur Chaussee zurück. Der Wind hatte aufgefrischt und schmeckte nach Schnee. Wenn wir Nik nicht bald fanden, stand uns ein langer, ungemütlicher Rückmarsch zur Stadt bevor.
Das nächste Anwesen musste früher einmal ein schmucker kleiner Gutshof mit einem von Silberbirken gesäumten Zugang gewesen sein. Jetzt standen die sterbenden Bäume mit ihren dürren Ästen nur noch da wie magere Vogelscheuchen und schienen mit ihrer abblätternden Rinde wie in Lumpen gehüllt. Einige traurige Überlebende schickten noch herbstgelbe Blätter in den Wind. Die ausgedehnten Koppeln, mehr von Disteln als von Gras bewachsen, standen leer, und die unkrautüberwucherten Felder hatten lange keinen Pflug mehr gesehen. »Was ist hier geschehen?«, fragte ich, ganz betroffen von der trostlosen Atmosphäre.
»Das kommt von der jahrelangen Dürre, auf die ein Sommer mit immer neuen Flächenbränden folgte. Hinter diesen Höfen war der Fluss von lichten Eichenwäldern gesäumt und von Weideland. Dies hier waren Milchviehhöfe, aber dort draußen ließen Kleinbauern ihre Ziegen frei grasen, und ihre Haragars mästeten sich in den Wäldern mit Eicheln. Ich habe gehört, dass hier auch die Jagd großartig
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