Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
tiefen und gleichmäßigen Atemzüge verrieten, dass sie eingeschlafen war. Ich folgte ihrem Beispiel.
    In der Morgendämmerung erwachte ich und verließ das Gasthaus. Merle rührte sich nicht, als ich die Tür öffnete und aus der Kammer ging. Draußen wanderte ich durch die Gassen, bis ich ein Badehaus fand, das schon geöffnet hatte. Ich musste jedoch warten, bis das erste Wasser des Tages heiß war. Schließlich zog ich mich aus und stieg vorsichtig in den tiefen, dampfenden Bottich. Nachdem ich mich gewaschen hatte, lehnte ich mich zurück und ließ meine Gedanken schweifen.
    Dass ich mich mit Schmugglern einlassen sollte, gefiel mir nicht. Und es gefiel mir genauso wenig, mich mit Merle zusammenzutun. Aber hatte ich eine andere Wahl? Womit sollte ich die Schmuggler bezahlen? Meine magere Barschaft würde kaum ausreichen. Burrichs Ohrring? Unter keinen Umständen wollte ich ihn versetzen. Geraume Zeit lag ich bis zum Kinn im Wasser und weigerte mich, diese Möglichkeit weiter in Betracht zu ziehen. Komm zu mir. Ich schwor mir, einen anderen Weg zu finden. Ich dachte an Veritas, der mich gerettet hatte, als es für mich in Fierant um Leben und Tod ging. Der in einem ungeheuren Ausbruch der Gabe seine gesamten Kraftreserven verausgabt hatte, um mir zu helfen. Ich wusste nicht, in welcher Lage er sich befand; doch er hatte nicht gezögert, rückhaltlos alles zu geben, um mich aus den Fängen von Will und seinem Zirkel zu befreien. Und wenn ich zwischen Burrichs Ohrring und Veritas wählen musste, würde ich mich natürlich für Veritas entscheiden. Nicht, weil er mich mit der Gabe zu sich rief. Auch nicht, um dem Schwur treu zu bleiben, den ich seinem Vater geleistet hatte, sondern einzig und allein seinetwegen.
    Ich stand auf und ließ das Wasser von mir ablaufen. Dann trocknete ich mich ab, scheiterte bei dem Versuch, meinen Bart zu stutzen, und ging zurück zum ›Eberkopf‹. Auf dem Weg dorthin kam es fast zu einer verhängnisvollen Begegnung. Ein Wagen fuhr an mir vorbei, und wem gehörte er, wenn nicht Maestro Dell, dem Puppenspieler. Ich ging schnellen Schrittes weiter, und der junge Geselle auf dem Bock ließ durch nichts erkennen, dass er mich bemerkt hatte. Trotzdem war ich froh, als sich die Tür des Gasthauses hinter mir schloss.
    Ich setzte mich an einen Tisch in der Ecke neben dem Kamin und ließ mir von Quercus eine Kanne Tee und einen Laib Morgenbrot bringen. Letzteres erwies sich als eine Spezialität Farrows mit eingebackenen Körnern, Nüssen und Fruchtstücken. Ich aß langsam und wartete darauf, dass Merle herunterkam. Einerseits wollte ich endlich die Schmuggler kennenlernen, aber andererseits hatte ich Bedenken, mich in Merles Abhängigkeit zu begeben. Während die Vormittagsstunden sich dahinschleppten, ertappte ich den Schankburschen zweimal dabei, wie er mich seltsam musterte. Beim dritten Mal erwiderte ich seinen Blick, bis er rot wurde und sich abwandte. Sein Interesse war verständlich. Ich hatte die Nacht in Merles Kammer verbracht, und zweifellos fragte er sich, was sie veranlassen mochte, mit einem so abgerissenen Herumtreiber wie mir das Quartier zu teilen. Dennoch fühlte ich mich beobachtet. Der Vormittag war mittlerweile halb vorüber. Ich beschloss, dass ich lange genug gewartet hatte, stand auf und stieg nach oben.
    Vor Merles Kammer angekommen, klopfte ich leise und wartete. Doch erst nach erneutem, lauterem Klopfen vernahm ich eine schläfrige Antwort. Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und Merle winkte mich gähnend herein. Sie trug nur ihre Hose und ein viel zu großes Hemd, das lockige Haar stand ihr zerzaust um den Kopf. Auf der Bettkante sitzend, blinzelte sie verschlafen, während ich die Tür hinter mir schloss und verriegelte. »Oh, du hast ein Bad genommen«, begrüßte sie mich und gähnte wieder.
    »Ist das so deutlich zu merken?«, fragte ich beleidigt.
    Sie nickte ungerührt. »Ich bin einmal wach geworden und dachte erst, du hättest dich davongemacht. Aber ich wusste ja, dass du ohne mich nichts erreichen konntest, deshalb habe ich mich noch einmal umgedreht und weitergeschlafen.« Sie rieb sich die Augen, dann unterzog sie mich einer genaueren Musterung. »Was ist deinem Bart denn für ein Unglück zugestoßen?«
    »Ich wollte ihn stutzen, doch es ist nichts daraus geworden.«
    Sie nickte beiläufig. »Aber es war ein guter Einfall. Es würde dich weniger verwildert aussehen lassen. Und selbst Creece oder Tassin oder sonst jemand aus dem Treck würde

Weitere Kostenlose Bücher