Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
ihr wegrücken, dann aber erlag ich der Versuchung, die Wärme und Behaglichkeit auszukosten. Ihr Atem strich über meinen Nacken. Ihr Körper verströmte einen Duft, der nicht Parfum war, sondern ganz Frau. Ich schloss die Augen und rührte mich nicht. Molly. Das plötzliche Verlangen nach ihr durchzuckte mich wie ein Schmerz. Ich biss die Zähne zusammen und zwang mich zum Einschlafen.
Ein Fehler.
Der Säugling schrie. Es schrie und hörte nicht auf zu schreien. Molly saß im Nachthemd mit einer Decke um die Schultern auf einem Stuhl beim Feuer, wiegte das Kind hin und her und sang ihm mit monotoner Stimme wieder und wieder ein Schlaflied vor.
Sie sah verhärmt und müde aus. Als die Tür aufging, wandte sie langsam den Kopf.
»Darf ich hereinkommen?«, fragte Burrich leise.
Sie nickte. »Weshalb bist du so spät noch auf?«
»Ich habe die Kleine schreien hören. Ist sie krank?« Er schürte das Feuer und warf ein Stück Holz nach. Dann bückte er sich, um in das kleine Gesichtchen zu schauen.
»Ich weiß nicht. Sie schreit nur und schreit und schreit. Sie will auch nicht trinken. Ich weiß nicht, was sie hat.« Molly hörte sich an, als wäre sie am Ende ihrer Kräfte.
Burrich richtete sich auf. »Gib sie mir. Du legst dich hin und ruhst dich aus, sonst werdet ihr mir noch beide krank. Das kann nicht Nacht für Nacht so weitergehen.«
Molly blickte verständnislos zu ihm auf. »Du willst dich um sie kümmern? Das würdest du wirklich tun?«
»Warum nicht«, erwiderte er trocken. »Ich kann bei dem Geschrei ohnehin nicht schlafen.«
Molly erhob sich steif, als hätte sie Rückenschmerzen. »Wärm dich erst auf. Ich mache Tee.«
»Nein.« Er nahm ihr das Kind aus den Armen. »Du legst dich jetzt hin und schläfst. Es hat keinen Sinn, wenn wir alle wach sind.«
Molly schien es nicht fassen zu können. »Du hast wirklich nichts dagegen, wenn ich wieder ins Bett gehe?«
»Nein. Wir zwei beiden kommen schon zurecht. Leg dich hin.« Er wickelte die Kleine fester in ihre Decke und legte sie sich an die Schulter. Sie sah in seinen großen dunklen Händen sehr winzig aus.
Molly schlüpfte ins Bett zwischen die Decken. Sie schaute zu Burrich, doch er stand halb abgewendet vor dem Feuer und wiegte sich leicht vor und zurück, während er dem Kind sanft auf den Rücken klopfte. »Schsch«, sagte er beruhigend. »Schsch, nicht weinen.«
»Burrich?«
»Ja?«
»Es ist Unfug, dass du bei diesem Wetter draußen im Schuppen schläfst. Du solltest dir über den Winter hier beim Feuer eine Schlafstelle einrichten.«
»Oh. Nun, so furchtbar kalt ist es da draußen gar nicht. Kommt immer darauf an, was man gewöhnt ist.«
Ein kurzes Schweigen trat ein.
»Aber ich fühle mich sicherer, wenn ich dich in der Nähe weiß.«
»Wenn es so ist, dann werde ich wohl umziehen müssen. Aber heute Nacht brauchst du vor nichts Angst zu haben. Schlaft jetzt, alle beide.« Er neigte den Kopf, und ich sah, wie sein Mund den flaumigen Scheitel des Kindes streifte. Leise begann er zu singen. Ich konnte die Worte nicht verstehen. Seine Stimme war zu tief, und außerdem schienen sie einer fremden Sprache anzugehören. Das Schreien des Säuglings ließ langsam nach. Burrich wanderte mit dem Kind langsam vor dem Feuer auf und ab. Ich war bei Molly, während sie ihn beobachtete, bis auch sie, von Burrichs Stimme eingelullt, in Schlaf fiel. Danach träumte ich nur noch von einem einsamen Wolf, der durch die Nacht lief - unermüdlich, Meile um Meile. Er war so einsam wie ich.
KAPITEL 15
KRÄHE
K önigin Kettricken trug Veritas’ Kind unter dem Herzen, als sie vor Kronprinz Edel in ihre Bergheimat floh. Man hat sie deswegen kritisiert und gesagt, wäre sie in Bocksburg geblieben, um durch ihre Gegenwart Edel zu zwingen, seinen Ehrgeiz zu zügeln, dann hätte sie dort auch ihr Kind umsorgt und geborgen zur Welt bringen können. Vielleicht hätte ganz Bocksburg sich auf ihre Seite geschlagen, vielleicht hätte das ganze Herzogtum Bock den Piraten von den Äußeren Inseln dann geschlossenen Widerstand geleistet. Vielleicht hätten mit einer Königin in Bocksburg alle vier Küstenprovinzen beherzter gekämpft. Doch das ist nur eine Meinung.
Die Menschen, die Zeugen der Vorgänge in Bocksburg geworden und aus erster Hand über die Verhältnisse innerhalb der königlichen Familie informiert waren, vertreten eine gänzlich andere Meinung. Sie glaubten ausnahmslos, dass beide, Kettricken und ihr ungeborenes Kind, heimtückischen Anfeindungen
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