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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stimme. Fast glaubte ich, sie zu erkennen. Ein Aufseufzen. »Blut. All das ist gefrorenes Blut.« Mit einem reißenden Geräusch löste der Umhang sich vom Hemdstoff. Dann setzte sich der Jemand neben mir auf den Boden.
    Ich fand nicht die Kraft, den Kopf zu heben, um direkt in sein Gesicht zu schauen. Mein Seitenblick erfasste nur einen schlanken Körper in einem losen Gewand aus weißer Wolle. Seine alten, elfenbeinfarbenen Hände rollten die Ärmel nach oben. Die Finger waren lang und dünn, die Handgelenke knochig. Dann erhob er sich abrupt, um etwas zu holen. Eine Zeitlang war ich allein. Ich schloss die Augen. Als ich sie wieder aufschlug, stand eine große blaue Keramikschale neben meinem Kopf. Der Dampf, der daraus aufstieg, roch nach Weidenrinde und Eberesche.
    »Keine Angst«, sagte die Stimme, und eine dieser Hände legte sich beruhigend auf meine Schulter. Gleich darauf spürte ich, wie sich an meinem Rücken Wärme ausbreitete.
    »Es blutet wieder«, flüsterte ich.
    »Nein. Ich weiche das Hemd auf, um es von der Wunde lösen zu können.« Die Stimme klang erneut vertraut. Ich schloss die Augen. Dann ging eine Tür, worauf kurz ein kalter Luftzug über mich hinwegstrich. Der Mann neben mir hielt inne und hob den Kopf zur Tür. »Du hättest anklopfen können«, sagte er mit gespieltem Ernst, während ich wieder einen warmen Rinnsal von Wasser auf meinem Rücken spürte. »Selbst einer wie ich empfängt gelegentlich andere Gäste.«
    Darauf folgten leichte, eilige Schritte und das Wehen von Röcken, die sich auf dem Boden ausbreiteten, als eine Frau sich zu mir niederbeugte. Ihre Hand strich mir das Haar aus dem Gesicht. »Wer ist er, heiliger Mann?«
    »Heiliger Mann?« Seine Stimme klang sarkastisch. »Hier haben wir jemanden, der vielleicht nie wieder ein heiler Mann sein wird. Sieh dir seinen Rücken an.« Leiser fügte er hinzu: »Wer er ist - das weiß ich nicht.«
    Ich hörte sie einen erschreckten Laut ausstoßen. »So viel Blut! Wie kommt es, dass er noch lebt? Wir müssen ihn wärmen und das Blut abwaschen.« Sie zog an meinen Handschuhen und zerrte sie herunter. »Oh, seine armen Hände! Die Finger sind alle schwarz an den Spitzen!«
    Das wollte ich nicht sehen und nicht wissen. Ich ließ mich in die Tiefe meines Unterbewusstseins sinken.
    Eine Weile kam es mir vor, als wäre ich wieder ein Wolf. Ich streifte durch ein mir fremdes Dorf und war auf der Hut vor Hunden oder Menschen in den Gassen. Doch es herrschte tiefe Stille, und das Einzige, was sich in dieser Nacht bewegte, waren die aus der Dunkelheit niedersinkenden Flocken. Ich fand die Hütte, die ich suchte und strich um sie herum, doch wagte ich nicht, sie zu betreten. Endlich war mir, als hätte ich alles in meiner Macht Stehende getan, worauf ich auf die Jagd ging. Ich machte Beute, ich fraß, ich schlief.
    Als ich erwachte, war der Raum durch trübe Helligkeit erfüllt. Ich sah gewölbte Wände, eine gewölbte Decke - und im ersten Augenblick glaubte ich, meine Augen spielten mir einen Streich, dann erkannte ich die charakteristische Form einer Behausung des Bergvolks. Nach und nach nahm ich Einzelheiten wahr. Ich entdeckte dicke Wollteppiche auf dem Boden und schmucklose Holzmöbel, dazu Licht aus einem Fenster mit geöltem Pergament. Auf einem Regal saßen aneinandergelehnt zwei Puppen neben einem Holzpferdchen mit Wagen. Eine als Jägersmann gekleidete Marionette hing an einem Haken. Auf einem Tisch lagen etliche bunt lackierte Holzteile. Ich roch Späne und frische Farbe. Marionetten, dachte ich. Hier wohnt ein Marionettenschnitzer. Ich lag bäuchlings auf einem Bett, eine Decke war über mich gebreitet. Eine warme Decke. Meine Haut im Gesicht, an meinen Händen und Füßen brannte unangenehm, doch der ungeheure Schmerz in meinem Rücken beherrschte alle anderen Unpässlichkeiten. Mein Mund war nicht mehr so ausgetrocknet. Hatte man mir zu trinken gegeben? Ich glaubte mich an den herben Geschmack von Kräutertee zu erinnern, aber vielleicht hatte ich das auch nur geträumt. Füße in pelzbesetzten Wollschuhen näherten sich meinem Bett. Eine Frau beugte sich zu mir herab und hob die Decke von meinem Körper. Sie nahm meine Hände in die ihren und kniff hinein. Ich zuckte zusammen und versuchte schwach, mich davon zu befreien.
    »Wird er seine Zehen und Finger behalten?«, fragte eine Stimme nicht weit von mir. Es war eine junge Frau.
    »Falls er überlebt, wird er seine Finger behalten«, erklärte eine andere Frau nüchtern.

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