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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Erfahrung waren wir beide klüger geworden. Wir konnten zwar miteinander teilen, doch nicht einer der andere sein. Wir konnten nur beide daran verlieren.
    Als ich mich vorsichtig aufrichtete, spürte ich, wie meine Muskeln an dem Fremdkörper in meinem Rücken rieben und sich an dem bleiernen Gewicht des Pfeilschafts stießen. Wenn ich mir ausmalte, wie dieser Holzstab aus meinem Körper ragte, drehte sich mir vor Ekel der Magen um. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Zu meiner Verwunderung tauchte plötzlich aus den Tiefen meines Gedächtnisses eine Erinnerung an Burrich auf: Diese gleichmütige Ruhe in seiner Miene, als er einst nach dem Abnehmen des Verbandes sein Knie bog und interessiert zuschaute, wie die Ränder der Wunde, die der Eberzahn ihm gerissen hatte, auseinanderklafften. Langsam streckte ich die Hand nach hinten und ließ die Finger an meiner Wirbelsäule hinaufwandern. Bei jeder Bewegung bewegte sich auch der Pfeil in mir. Endlich stießen meine Fingerspitzen gegen das vom Blut klebrige Holz des Schafts; schon mit dieser leichten Berührung schoss mir ein warnender Stich durch die Brust. Ziemlich unbeholfen schloss ich die Hand um das Holz, kniff die Augen zu und versuchte, daran zu ziehen. Auch ohne Schmerzen wäre es schwierig genug gewesen, es von mir zu lösen, so aber drehte sich plötzlich die ganze Welt um mich, und als sie wieder zum Stillstand kam, fand ich mich auf Händen und Knien wieder und rang mit weit aufgerissenem Mund und keuchend nach Atem.
    Soll ich es versuchen?
    Ich schüttelte den Kopf, und sofort verschwamm wieder alles vor meinen Augen. Nein. Wenn Nachtauge den Pfeil aus mir herauszog, würde ich die Besinnung verlieren und nicht mehr in der Lage sein, die wahrscheinlich starke Blutung zu stillen. Am besten, der Pfeil blieb stecken. Ich raffte all meinen Mut zusammen. Kannst du ihn abbrechen?
    Er kam dicht an mich heran. Ich fühlte seinen Atem an meinem Nacken. Dann legte er den Kopf zur Seite, um den Pfeilschaft mit den hinteren Backenzähnen zu fassen. Dann folgte ein kurzes Knacken wie das von einem Zweig unter der Schere des Gärtners, worauf erneut ein höllischer Schmerz durch meinen ganzen Körper fuhr. Mir wurde ganz schwarz vor Augen, aber irgendwie brachte ich es fertig, nach hinten zu greifen und meinen blutdurchtränkten Umhang von dem Pfeilstumpf zu lösen. Vor Kälte und Schwäche zitternd hüllte ich mich in den dicken Stoff und schloss die Augen.
    Nein. Zünde erst ein Feuer an.
    Ich hob die bleischweren Lider. Nahmen die Mühen denn gar kein Ende? Völlig entkräftigt scharrte ich alle Äste und Zweige in Reichweite auf einen Haufen. Nachtauge versuchte zu helfen und schleppte weitere Äste herbei. Trotzdem dauerte es eine Ewigkeit, bis es mir gelang, dem Holz eine winzige Flamme einzuhauchen, die ich behutsam mit kleinen Ästen fütterte. Als das Feuer endlich brannte, bemerkte ich, wie bereits der Morgen dämmerte. Zeit, dass wir uns wieder auf den Weg machten. Wir verzehrten den Rest des Hasen und warteten, bis ich mir Hände und Füße gewärmt hatte. Dann brachen wir auf.

KAPITEL 20
    JHAAMPE
    J haampe , die Hauptstadt des Bergreichs, ist älter als Bocksburg, wie auch das Herrscherhaus der Chyurda auf eine längere Ahnenreihe zurückblickt, als das Geschlecht der Weitseher sie aufzuweisen hat. Von der Anlage her ist Jhaampe so grundlegend verschieden von der Festungsstadt Bocksburg wie die absoluten Monarchen der Sechs Provinzen von den Philosophenkönigen des Bergreichs, die sich als Diener ihres Volkes begreifen.
    Im Bergreich findet man nicht die traditionelle Siedlungsform, also die feststehende Ordnung von auf Dauer errichteten Behausungen mit einer mehr oder weniger ortsfesten Bürgerschaft, sondern entlang sorgfältig geplanter und von Gärten gesäumter Straßen laden freie Plätze die Nomadenbevölkerung der Berge ein, jederzeit und je nach Belieben zu kommen und zu gehen.
    Es gibt zwar einen Marktplatz, aber die Händler folgen einander in einer Prozession gleich der Abfolge von Jahreszeiten. So kommt es vor, dass über Nacht ein Dutzend Zelte aus dem Boden wachsen, womit ihre Bewohner die Einwohnerzahl von Jhaampe für eine Woche oder einen Monat um einiges vergrößern. Genauso schnell können diese neuen Einwohner auch wieder verschwunden sein, sobald die Zeit ihres Besuchs vorbei ist oder ihre Geschäfte getätigt sind. Jhaampe ist der Verknüpfungspunkt eines Nomadenvolks, doch ständiger Wohnsitz ist es nur für wenige.
    Die Behausungen

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