Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
einfältig sein.« Ruhig begegnete sie meinem Blick. »Ich habe die öffentliche Bekanntmachung bereits verfasst und Chade eine Abschrift ausgehändigt, während das Original hier im Archiv aufbewahrt wird. Deine Tochter ist die Erbin des Throns der Sechs Provinzen, FitzChivalric.«
Ich hatte mich zu lange an einen Strohhalm geklammert. Jeden Schritt meines langen Weges hatte ich mich mit dem Gedanken getröstet, dass, wenn nur alles endlich vorbei war, ich zu Molly zurückkehren, ihre Liebe wiedergewinnen und meiner Tochter ein Vater sein würde. Andere Männer träumten vielleicht von Ehre oder Reichtum oder Heldentaten, die in Liedern gepriesen wurden. Ich hatte keinen anderen Wunsch, als nach vollbrachtem Tagewerk rechtschaffen müde und mit Schwielen an den Händen in meiner Hütte am Feuer zu sitzen, und ein kleines Mädchen sollte auf meinen Knien schaukeln, während eine Frau, die mich liebte, mir von ihrem Tag erzählte. Von allen Träumen, die ich je hatte aufgeben müssen, weil das Blut der Weitseher in meinen Adern floss, war dieser mir der teuerste. Musste ich das alles aufgeben? Musste ich für Molly auf ewig als der Mann in Erinnerung bleiben, der sie erst mit ihrem Kind im Stich gelassen hatte, um dann auch noch dafür zu sorgen, dass ihr das Kind weggenommen wurde?
Ich merkte erst, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte, als die Königin erwiderte: »Das bedeutet es, dem Volk ein Opfer zu sein, FitzChivalric. Die eigenen Wünsche sind dabei völlig ohne Bedeutung.«
»Dann werde ich sie nicht anerkennen.« Die Worte brannten mir auf der Zunge wie Gift. »Ich werde sie nicht als mein Fleisch und Blut anerkennen.«
»Das brauchst du auch nicht, denn ich werde sie als meine leibliche Tochter ausgeben. Unzweifelhaft hat sie das Aussehen der Weitseher geerbt. Euer Blut ist stark. Für unsere Zwecke genügt, dass ich weiß, dass du der Vater des Kindes bist, und das hast du bereits gegenüber Merle, der Vagantin, zugegeben. Zu ihr hast du gesagt, du hättest ein Kind gezeugt mit Molly, einer Kerzenmacherin aus Burgstadt. In den ganzen Sechs Provinzen besitzt das Zeugnis einer Vagantin Gültigkeit vor dem Gesetz. Sie hat bereits ihren Namen unter das Dokument gesetzt und unter Eid versichert, dass das Kind vom Blut der Weitseher ist. FitzChivalric«, fuhr sie beinahe gütig fort, obwohl mir ihre Worte wie der dumpfe Glockenton des Schicksals in den Ohren klangen und der Boden unter meinen Füßen zu schwanken schien, »niemand vermag seinem Geschick zu entrinnen, weder du noch deine Tochter. Tritt zurück und erkenne, allein aus diesem Grund ist sie in die Welt gekommen. Als alles sich verschworen hatte, den Weitsehern einen Erben vorzuenthalten, wurde ihnen dennoch einer geboren. Von dir. Nimm es hin und füge dich.«
Das waren die falschen Worte. Sie mochte im Geist dieser bedingungslosen Hingabe erzogen worden sein, doch mich hatte man gelehrt: »Der Kampf ist erst vorbei, wenn du gewonnen hast.« Ich hob den Blick und schaute von einem zum anderen. Ich weiß nicht, was sie in meinen Augen lasen, aber ihre Gesichter erstarrten. »Ich kann Veritas finden«, sagte ich bestimmt. »Und ich werde ihn finden.«
Sie schwiegen.
»Ihr wollt Euren Gemahl und König wiederhaben«, wandte ich mich nun wieder an Kettricken. Ich wartete, bis sie unmerklich nickte.
»Und ich will mein Kind behalten«, sagte ich ruhig.
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, das wir das Gleiche wollen. Auch ich möchte wie Ihr bei dem Menschen sein, den ich liebe, und sehen, wie unser gemeinsames Kind heranwächst.« Ich sah ihr entschieden in die Augen. »Gewährt mir das. Mehr habe ich nie gewollt.«
Sie hielt meinem Blick stand. »Ich kann dir dieses Versprechen nicht geben, FitzChivalric. Deine Tochter ist zu wichtig, als dass Liebe allein ein Recht auf sie hätte.«
Wie ungeheuerlich und doch wahr. Ich neigte den Kopf, aber nicht aus Einsicht. Ich starrte ein Loch in den Boden und zermarterte mir das Hirn nach anderen Lösungen und Auswegen.
»Ich weiß, was nun kommt«, hörte ich Kettricken bitter sagen. »Wenn ich dir dein Kind nehme, dann wirst du mir nicht helfen, Veritas zu suchen. Ich bin lange mit mir zurate gegangen, weil ich mir dieser Konsequenz bewusst war. Ich bin bereit, allein auf die Suche zu gehen. Ich habe die Karte. Irgendwie werde ich...«
»Kettricken!« Ungewollt entfuhr mir ihr Name, nur ihr Name, ohne Titel. Ich sah, wie sie stutzte. »Ihr versteht nicht. Selbst wenn Molly hier
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