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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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waren noch in dem Gemach. Fast hätte ich Chade einen hilfesuchenden Blick zugeworfen, aber seine Miene war vorher mehr als abweisend gewesen. Ich ahnte, dass ich bei dieser Audienz auf mich allein gestellt sein würde. Ich richtete mich kerzengerade auf und verneigte mich mit allem höfischen Anstand. »Majestät, Ihr habt mich rufen lassen?«
    »Wir wünschen, dass du dich erklärst.«
    Der Wind draußen war milder als ihre Stimme. Ich hob flüchtig den Blickzu ihren Augen. Sie waren wie blaues Eis. Rasch schaute ich vor mir auf den Boden und holte tief Atem. »Ihr wollt meine Geschichte hören, Majestät?«
    »Falls es hilft, dein Versagen zu erklären.«
    Ich war überrascht. Unwillkürlich sah ich auf; doch obwohl unsere Blicke sich trafen, gab es keine wirkliche Begegnung. Alle mädchenhafte Weichheit war aus Kettricken herausgeschmolzen, wie das Eisenerz in der Glut von allen Unreinheiten befreit wird. Im Lauf dieses Prozesses schien ihr auch jegliche Sympathie für den Bastardneffen ihres Gemahls abhandengekommen zu sein. Sie saß vor mir als Souverän und Richter, nicht als Freundin. Ich hatte nicht damit gerechnet, diesen Verlust als so schmerzlich zu empfinden.
    Wider besseren Wissens erfolgte meine Erwiderung in nicht minder frostigem Ton. »Ich stelle es ganz meiner Königin anheim, darüber zu befinden.«
    Sie war unbarmherzig und ließ mich in meinem Bericht nicht mit meinem Tod beginnen, sondern Tage vorher, als wir gemeinsam die ersten Überlegungen angestellt hatten, wie wir es bewerkstelligen sollten, König Listenreich vor Edel zu schützen und ihn heimlich aus Bocksburg wegzuschaffen. Ich stand vor ihr und musste zugeben, dass die Küstenherzöge mir das Angebot gemacht hatten, mich statt Edel als Thronfolger anzuerkennen. Schlimmer noch, ich musste ihr eingestehen, dass ich zwar bei dieser Offerte standhaft geblieben war, ihnen aber zugesagt hatte, mich auf ihre Seite zu stellen und das Kommando über die Burg sowie den Schutz der Küste zu übernehmen. Chade hatte mich einmal warnend daran erinnert, damit wäre ich nur um Haaresbreite von Hochverrat entfernt gewesen, doch ich war all meiner Geheimnisse unsäglich überdrüssig und hielt mit nichts zurück. Mehr als einmal wünschte ich, Merle wäre nicht im Raum geblieben, denn ich fürchtete, irgendeines unschönen Tages - vorausgesetzt die Welt blieb bestehen - in irgendeiner Herberge oder bei einem Gastmahl auf einer Burg, mir selbst in einer gefällig auf bereiteten und zur Harfe gesungenen Ballade wiederzubegegnen. Doch wenn meine Königin sie ihres Vertrauens für würdig hielt, stand es mir nicht zu, daran zu zweifeln.
    Also fuhr ich fort mit der trostlosen Moritat. Zum ersten Mal hörte Kettricken aus meinem Mund, wie König Listenreich gestorben war, wie ich Serene in ihrer Gabentrance die Kehle durchgeschnitten und Justin durch die Gänge Bocksburgs gehetzt hatte, um ihn im Großen Saal vor aller Augen zu töten. Über meine Gefangenschaft in Edels Kerker wollte ich mit wenigen Worten hinweggehen, doch sie kannte weiterhin keine Gnade, weshalb ich ihr einen so ausführlichen Bericht meiner Leidenszeit lieferte, wie ihn selbst Burrich nicht erhalten hatte. Mehrmals drohte meine Stimme zu versagen, doch ich fasste mich wieder und sprach weiter, während ich den Blick die ganze Zeit ins Leere gerichtet hielt. Nur einmal schaute ich kurz zu ihr hin und sah, dass ihr Gesicht schneeweiß geworden war. Chade saß mit versteinerten Zügen regungslos auf seinem Stuhl und biss die Zähne zusammen, so als würde er meine Qualen miterleben.
    Ich kämpfte mich weiter bis zum Ende der Geschichte, berichtete nüchtern von meiner Wiederauferweckung durch Burrich und Chade, von der Alten Macht, mittels derer es vollbracht worden war, und von den Tagen danach. Ich erzählte von unserem Zerwürfnis, der Trennung, von meinen Wanderungen, davon, wie ich Veritas mit der Gabe berührt hatte, von meinem misslungenen Anschlag auf Edels Leben und auch, wie Veritas mir mit der Gabe unabsichtlich seinen Befehl ins Bewusstsein gebrannt hatte.
    Ich erzählte weiter und weiter, bis meine Stimme heiser, Mund und Kehle trocken wurden, doch ich machte keine Pause, bis ich nicht auch noch die letzte qualvolle Etappe nach Jhaampe geschildert hatte. Nach Erzählung meiner ganzen Geschichte blieb ich ausgelaugt und erschöpft vor ihr stehen. Einem beliebten Sprichwort zufolge soll es ja eine Erleichterung sein, Leid und Sorgen zu teilen. Für mich dagegen wurde nur wieder

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